Sturmbote
Erkenntnis: Wir müssen uns auf einen Krieg vorbereiten.«
»Ihr habt vor, den Weißen Zirkel zu bestrafen?«
Isak zuckte die Achseln. »Sie haben den Kampf zu uns getragen. Was bleibt mir anderes übrig, als zurückzuschlagen?«
»Es gibt Möglichkeiten für einen Gegenangriff, ohne Scree und Helrect dem Erdboden gleichzumachen.«
»Machst du dir darüber Sorgen? Mein mangelndes Gespür für das rechte Maß?« Isak nippte am Wein und verzog das Gesicht. Der Wein passte nicht zum bitteren Soldatentabak, den Carel bevorzugte. Er wandte sich Mihn zu und sah ihm in die Augen. Die Zurückhaltung des Nordmannes war verschwunden und er erwiderte Isaks Blick, ohne zu blinzeln oder sich abzuwenden, wie er es normalerweise tat.
»Chaos an unseren Grenzen heraufzubeschwören wird Euch nicht zum Vorteil gereichen, wenn es das Chaos ist, was Eure Feinde anstreben. Versprecht Ihr mir, einen anderen Weg, sofern es ihn gibt, ins Auge zu fassen, wie mit dem Weißen Zirkel zu verfahren ist?«
Isak war überrascht. »Das ist das erste Mal, dass du mich um etwas bittest.«
»Ich bitte nur darum, dass Ihr den Krieg nicht beginnt, dass Ihr Euch nicht dazu verleiten lasst, an der falschen Front zu kämpfen.«
Nach einem Augenblick hielt Isak Mihn den Arm hin, der ihn ergriff. »Du bittest mich nur darum, vernünftig zu handeln. Das ist eine ausgesprochen gerechtfertigte Bitte.«
Der kleinere Mann nahm seine Worte mit einem Nicken zur Kenntnis und versank dann wieder in seiner üblichen Verschlossenheit.
Isak hielt inne, die Hand noch immer um Mihns Unterarm gelegt, und sah Mihn in die Augen. Neugier flackerte in dessen Blick auf, aber er besaß so viel Geduld, dass sogar ein Gletscher voreilig erscheinen mochte. Isak blickte kurz zur Seite, strich sich dann mit der Hand durchs Gesicht, als wolle er nüchterner werden.
»Die andere Entscheidung, die ich getroffen habe, gefällt dir vermutlich nicht so gut.« Er konnte die Stille der Nacht beinahe
fühlen und spähte in die Schatten, wollte aber nicht fortfahren, bis er ganz sicher war, dass sie nicht bespitzelt wurden. Er spürte nichts, also lag es wohl nur an seinem benebelten Kopf und seiner angeborenen Vorsicht.
»Ich möchte, dass ihr, Morghien und du, Xeliath abholt und sie nach Tirah bringt. Nur allzu bald wird jemand ihren Anteil an den Geschehnissen herausfinden, und wenn das geschieht, ist ihr ein baldiger Tod sicher. Sie kennt Morghien und – wie ich vermute – sprichst du Yeetatchen. Ich kann niemanden sonst darum bitten.«
Mihn schwieg eine Weile, dann senkte er den Kopf. »Wenn sie Euch so wichtig ist, werde ich es tun.«
»Ich weiß noch nicht, wie wichtig sie mir ist«, sagte Isak aufrichtig. »Ich habe erst einige Male mit ihr gesprochen. Ich weiß nur, dass sie zu einem weiteren Opfer meines Daseins, meiner verdrehten Bestimmung wird, wenn ich sie ihrem Schicksal überlasse. Das Blut einer weiteren Unschuldigen an meinen Händen.«
Er zog an der Pfeife, doch sie war ausgegangen. Er fuhr mit dem Daumen in den Pfeifenkopf und zischte auf, weil die Glut heißer war, als er erwartet hatte. Er wischte den Daumen an seinem Hemd ab und hinterließ einen Rußstreifen auf dem weißen Stoff. »Da wir gerade von Blut an meinen Händen sprechen … es wird Zeit, nach Carel zu sehen.«
5
»Xomejx? Das ist ein ganz schön langer Weg für ein Mädchen, das du kaum kennst«, sagte Morghien. »Ich weiß, sie ist ein hübsches junges Ding …«
»Sie ist in Gefahr und ich kann sie wohl kaum selbst abholen«, sagte Isak und unterbrach Morghien mit einer Geste. »Du musst zu ihr gehen, denn sie kennt dich und du kannst ihren Geist erreichen.«
»Aber ich spreche kein Yeetatchen. In all den Jahren meiner Reise war ich doch nie dort.«
»Nun, dann kannst du dieses Versäumnis jetzt beheben. Was aber das Sprachproblem angeht: Mihn begleitet dich und ich bin sicher, dass er im Nu einige Worte lernen wird.«
Isak blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem alten Wanderer auf und grinste. Er lag im privaten Garten des Lordprotektors im Gras und trug nur ein dünnes Hemd und kurze Hosen, die eher einem Hafenarbeiter als einem Herzog anstünden. Da den Garten eine drei Schritt hohe Steinmauer umgab, hatte er das Hemd erst angezogen, als Morghien eingetroffen war. Er stellte die Narbe auf seiner Brust nur ungern zur Schau, nicht einmal bei seinen Vertrauten. Morghien kannte die Erklärung für seinen schneeweißen linken Arm, darum musste Isak diesen nicht vor ihm
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