Sturmbote
dabei stark genug mit dem Knöchel gegen einen zerbrochenen Balken, so dass sich ein langer
Splitter durch das Leder bohrte und dann abbrach. Doranei blickte benommen hinab, als habe er so etwas noch nie erlebt. Er spürte, wie das Holz in dem Stiefel unangenehm über seine Haut kratzte. Der Splitter, so lang wie sein kleiner Finger und beinahe ebenso dick, hatte sich zwar nicht in sein Fleisch gebohrt, aber er schabte deutlich über die unverletzte Haut.
Er fing wie irr zu grinsen an und beugte sich vor, um das Holzstück aus dem Stiefel zu ziehen. Dann untersuchte er das zurückbleibende Loch. »Und dabei blute ich so leicht«, murmelte er vor sich hin. »Viel zu leicht sogar.« Er hielt sich den Splitter vor die Augen und musterte ihn. »Aber du, mein Freund, hast es nicht fertiggebracht«, sagte er und warf das Stück in das prasselnde Feuer.
Er beobachtete, wie es von den tanzenden Flammen verzehrt wurde, wobei die aufsteigende Hitze die Luft flirren und seine Augen brennen ließ. Er blinzelte mehrmals, um den Blick wieder klar zu bekommen, denn er hatte hinter den Flammen etwas gesehen. Aber was war es? Nur ein Schatten, den die Hitze in etwas anderes verwandelt hatte? Oder …
»Ihr Götter«, stieß er aus, als er wieder klar sehen konnte. Durch die Flammen starrte ihn ein riesiges Auge an. Es leuchtete im Licht des Feuers golden, bewegte sich durch die Dunkelheit und hielt ihn dabei im Blick. O du rachsüchtiger Tod , dachte Doranei, von der Regung in den Bann geschlagen, das ist aber eine weite Bewegung für einen Kopf – daran muss ein verdammt langer Hals hängen.
Haipar sah es ebenfalls und sprang sofort über die Flammen hinweg, wobei sie sich in ihre Tiergestalt verwandelte, um dann in der Dunkelheit zu verschwinden. Plötzlich zuckte das Auge zur Seite, und es war, als erscheine ein weiteres, da sich die Kreatur Doranei zuwandte. Seine Hand schloss sich um die Waffen, als der Kopf dem Feuer nah genug kam, um etwas erkennen zu
können. Ein spitz zulaufendes Maul öffnete sich und offenbarte dolchlange Fänge und mehrere Reihen kleinerer Zähne. Aus dem Kopf ragten dicke, kurze Hörner.
O Pisse und Dämonen . Doranei wich zurück und fiel fast über den toten Akolythen hinter sich. »Wyvern!«, rief er, als er seine Stimme endlich wiederfand.
Die Zeit schien stillzustehen und die Luft prickelte voller Erwartung, während Doranei darauf wartete, dass die Kreatur durch die Flammen sprang. Im Hintergrund hörte er Zhia grobe Silben ausstoßen, die er nicht verstand. Dann erzitterte die Luft unter dem Ansturm des Zaubers. Die Flammen loderten plötzlich hell vor ihm auf und die Hitze traf ihn wie ein Kettenhandschuh. Er hob den Arm, um sein Gesicht zu schützen, und gleichzeitig erklang der Schrei der Echse.
»Haipar ist dort draußen«, rief Doranei, aber nur Mikiss’ Gelächter antwortete ihm. Und als er sich umsah, hatte der Vampir die Äxte erwartungsfroh erhoben. Er nickte dem Mann des Königs kameradschaftlich zu, wobei seine nun verlängerten Fangzähne aus dem Lächeln hervorstrahlten. Doranei erschauderte leicht. Mikiss hätte sich beinahe gegen ihn gewandt, als er mit Zhia gestritten hatte, und jetzt waren sie plötzlich wieder Freunde? Ein Soldat, der sich nicht auf seine Kameraden verlassen konnte, überlebte nicht lange.
»Ich kann Haipar nicht helfen, wenn sie auf eigene Faust kämpfen will«, sagte Zhia ruhig, während ihre Hände Figuren in die Luft zeichneten und damit den Zauber weitergestalteten. »Eine Wyvern bedeutet, dass die Herrin jetzt für Rojak arbeitet. Ich frage mich, wie viele der Raylin aus meinen Diensten nun gegen uns arbeiten.« Sie zuckte die Achseln. »Ich schätze, es macht keinen großen Unterschied, selbst wenn sie alle hier wären.«
»Zhia!« Doranei musste rufen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
»Auch König Emin und meine Brüder sind dort draußen. Wir müssen ihnen helfen.«
»Und das werden wir«, antwortete sie beinahe herablassend. »Aber ich will nicht vorschnell handeln.«
»Wovon sprecht Ihr?«, fragte er, doch seine Stimme wurde von einem ohrenbetäubenden Knall übertönt, der von der Straße herüberklang. Doranei wandte sich um und konnte durch die Flammen nicht viel sehen, erkannte aber das Geräusch von Cetarns Lieblingszauber. »Hört Ihr?«, rief er verzweifelt. »Sie werden angegriffen. Zhia, bitte!«
Zhia war von einem grün pulsierenden Leuchten umgeben und legte nun die Hand auf den Kristallschädel. »Ja, ich denke, du hast
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