Sturmbote
stand. Kein Mann könnte sich mit einer solchen Verletzung noch auf den Beinen halten. Kein lebender Mann.
Wie hatte Zhia die Truppen ihres Bruders genannt? Die Legion der Verdammten? Doranei stöhnte leise auf. »Ihr Götter, lebt in dieser Stadt eigentlich noch irgendjemand?«
Mikiss bekam einen Lachanfall, ließ eine seiner Äxte fallen und stützte sich mit der freigewordenen Hand auf Doraneis Schulter ab. Die Finger bohrten sich hart in sein Fleisch, drückten
sich durch das versteifte Leder und die Kette, als gäbe es sie gar nicht. Doranei stöhnte auf, als er auf ein Knie gedrückt wurde und ihm das Schwert entglitt, weil sich seine Hand unter dem Schmerz wie von selbst öffnete.
»Sei vorsichtig, Haustier«, zischte der Vampir, und dann verstummte sein Lachen schlagartig. »Dein Leben liegt in unseren Händen.«
»Ähem«, machte Zhia hinter ihnen. Mikiss zuckte zusammen, ließ aber nicht los.
»In meinen Händen, möchte ich doch meinen, nicht in deinen.«
Mikiss’ Gesicht verzog sich wütend und er drückte noch einmal fester zu, aber dann entließ er den Mann des Königs aus seinem Griff und trat zurück, denn er wollte sich nicht mit Zhia streiten. Sie schob Doranei die Arme unter die Achseln, um ihm auf die Beine zu helfen, aber er schüttelte ihre Hände ab und stand aus eigener Kraft auf.
»Was geschieht hier?«, fragte er benommen. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, sie würden die Lage nur verschlimmern?«
»Verschlimmern?«, wiederholte Zhia. »Dieser Ort ist des Todes. Hier kann es nichts Schlimmeres mehr geben.« Sie wies auf die Stelle, an der noch vor Augenblicken Männer gekämpft hatten. Etwas lag am Boden, von Koezhs Männern umringt. Doranei sah genau hin und erkannte, dass das weiße Gesicht dort von der gleichen Maske gebildet wurde, die auch jener Akolyth der Narren trug, der nun drei Schritte abseits stand. Er sah sich um und entdeckte ein weiteres Dutzend tot im Kreis liegen, wo sie versucht hatten, sich gegen die Übermacht zu verteidigen. Der Akolyth, der noch vor einer Minute an seiner Seite gekämpft hatte, war nicht mehr zu sehen – in die Nacht verschwunden.
»Das kann Rojak nicht vorhergesehen haben«, sagte Zhia. »Seine Attentäter hatten es mit einer gewaltigen Übermacht zu
tun. Ich bin sicher, dass die Narren sich augenblicklich zurückgezogen haben, aber alle Gefolgsleute Azaers, die nicht sofort geflohen sind, sind jetzt mit Sicherheit tot.« Ihr Gesicht nahm den gefühllosen Ausdruck einer Frau an, die jeden Schrecken gesehen hatte, den das Land hervorbringen konnte. »Diese Sache endet hier und jetzt.«
»Wie meint Ihr das?«
»Komm mit.« Zhia wandte sich ab.
Doranei nahm sein Schwert auf und lief hinter Zhia her durch die rauchenden Trümmer. Sie wirkte völlig entspannt und ging zwar zügig, aber ohne Eile. Die Soldaten machten ihr Platz, obwohl Zhia sie nicht einmal zur Kenntnis nahm. Sie hielt auf einen engstehenden Ring Soldaten zu, die die Söldner mit erhobenen Waffen im Auge behielten. Diese wiederum musterten sie mit zwiespältigen Gefühlen. Das kann nicht mal für sie normal sein , dachte Doranei und folgte ihr weiter.
Im matten Licht erkannte Doranei nur die Schatten von Gefallenen, die zu den Füßen der Männer in der Menge lagen. Erst als er näher kam, erkannte er auch ihre Gesichter. Die Verdammten hatten den Kampf also nicht allein bestritten, auch wenn sie ihn zu einem raschen Ende gebracht hatten.
Zhia schwenkte zur Seite, bevor sie König Emins Gruppe erreicht hatte, um zu einem Mann in schwarzer Rüstung zu treten, ihrem Bruder. Er hatte sein Langschwert nicht gezogen. Rojaks Widerstand war nicht so groß gewesen, dass Koezh gezwungen gewesen wäre, seine Waffen zu ziehen, nicht einmal den Dolch an seiner Seite. Doranei hatte Zhias übernatürliche Stärke gespürt und wusste darum, dass sich der Vampir zu wehren wusste. Handschuhe aus Schwarzeisen und ein Schlag, der Stein spalten konnte – würde Coran den berühmten Schwertkämpfer überhaupt dazu bringen können, blankzuziehen? Er musterte die Rüstung. Wenn sie jemals gegen die Menin kämpften, würde
Kastan Styrax so aussehen, denn er hatte Koezhs Leiche eine abgenommen, die genauso aussah.
Als Zhia bei ihm ankam, unterbrach Koezh seine stumme Beobachtung der Narkang-Soldaten und nahm seinen Helm ab, um seine Schwester zu begrüßen. Er offenbarte ein glattes, von den Jahren unangetastet gebliebenes Gesicht und die glitzernden Saphiraugen, die denen von Zhia so
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