Sturmbote
schon in die Hose machen, wenn du ihn nur vor dir sähest.«
Der Mann trat mit geballter Faust vor, aber Shandrek stellte sich ihm kichernd in den Weg. »Frieden, Freunde. Mayel, hüte deine verdammte Zunge, bis du genug Muskeln hast, um ihr auch Taten folgen zu lassen. Brohm ist nicht der Dummkopf, für den du ihn hältst, dafür ist er aber dreimal so groß wie du. Brohm, lass mich mal allein mit meinem Cousin sprechen. Du hältst derweil Ausschau nach dem schwarzen Mann.«
Brohm grunzte, warf Mayel einen bösen Blick zu und ging dann einige Schritt bis zur Häuserecke.
»Schwarzer Mann?«, fragte Mayel, während er Brohms Abmarsch beobachtete.
»Es gibt Gerüchte. Nichts, was einen Mann der Worte wie dich betrifft. Hat vielleicht etwas mit den Verschwundenen hier zu tun. Normalerweise würde ich sagen, dem gemeinen Volk geht die Fantasie durch, aber seit dem Jahreswechsel ist so viel
Schlimmes passiert, dass ich nicht mehr so sicher bin. Ist wahrscheinlich nichts, aber es zahlt sich immer aus, ein Auge offen zu halten. Fremde, die sich hier allein herumtreiben, solche Sachen.«
»Das werde ich. Danke für die Warnung, Vetter.«
»Gut. Und was hast du mir jetzt zu sagen?«
»Wenig. Er forscht über die lang vergangene Geschichte, unter anderem über den Großen Krieg. Ich hatte da drin aber nicht viel Zeit. Weißt du, ob uns Dohle in die Stadt gefolgt ist?«
»Soweit ich weiß nicht, aber meine Leute sind in einigen Vierteln nicht eben gern gesehen, darum kann man auf keinen Fall sicher sein.«
»Er ist mit all seinen Hautbildern nur schwer zu übersehen«, sagte Mayel und erntete dafür einen warnenden Blick von Shandek.
»Das ist dein Abt auch nicht, und es war nicht leicht, seine Anwesenheit geheim zu halten. Du kostest mich eine Menge Geld, Junge. Ich bin deswegen nicht sauer, immerhin gehörst du zur Familie, aber dieser Abt bedeutet mir nichts – und so langsam frage ich mich, warum ich mich seinetwegen so weit aus dem Fenster lehne.«
»Ich verspreche dir, dass es sich lohnt. Er besitzt ein Artefakt, im schlimmsten Fall ist es zumindest eine Reliquie – dafür kannst du mit Leichtigkeit einen Käufer finden.«
»Und im besten Fall?«
»Im besten Fall ist es ein magischer Gegenstand. Unsere Bibliothek im Kloster war riesig und es gab viele abgesperrte Kammern. Von einigen Sachen vermute ich, dass man sie dem restlichen Land absichtlich vorenthalten hat, weil man Angst hatte, dass die Insel angegriffen würde, sobald andere davon erfuhren, was dort lagerte.« Er blickte Shandek an, der noch immer grimmig dreinschaute. Der Mann mochte es nicht, im Dunkeln gehalten zu werden, und Mayel erkannte, dass seine Geduld bald ein Ende hätte.
Schließlich nickte er. »Nun gut, aber verschwende meine Zeit nicht, verstanden? Wir haben noch keinen Preis ausgemacht, den du haben willst, wenn du es in die Finger bekommst. Das sollten wir jetzt erledigen, immerhin gehörst du zur Familie. Gibt doch nichts Schlimmeres, als mit dem eigenen Fleisch und Blut zu feilschen, oder?« Ein verschlagenes Lächeln kroch in Shandeks Züge. Sein Vetter verhandelte gern vom stärkeren Posten aus.
»Nun, du hast sicher schon erraten, dass ich nicht zurückgehen möchte. Wenn es also eine Reliquie ist, teilen wir den Gewinn des Verkaufs und ich arbeite hier für dich. Ich bin ein passabler Schreiber und kann rechnen, was dir zugutekommen wird.«
»Und wenn es etwas Wertvolleres ist?«
»Dann gehört das Geld nach Abzug deiner Kosten mir.«
Shandek lachte auf und schlug ihm auf den Rücken.
»Warte, hör mich zu Ende an«, protestierte Mayel. »Unter der Bedingung, dass ich mit dem Geld einen Anteil erstehe. Ich will kein gleichberechtigter Partner sein, natürlich nicht – ich will nur mitreden können. Ich weiß, dass du nicht glücklich darüber bist, der Knecht eines anderen zu sein, und das könnte dabei helfen, dies zu ändern.«
»Mit solchen Worten solltest du vorsichtig sein«, sagte Shandek leise. »Spinne hört so etwas nicht gern, und er hört mehr als ich. Wir könnten beide sterben, wenn dich jemand belauscht hat. Ich allein deshalb, weil wir Vettern sind und er mir nicht mehr traut, sobald er dich umgebracht hat.«
»Leidet er wirklich unter einem so starken Verfolgungswahn?«
»Da fragst du noch? Nach zehn Jahren ist mir der Mann noch immer ein Rätsel. Ich habe ihn nie getroffen, nie seinen wirklichen Namen erfahren.« Shandek hob die linke Hand und wackelte mit dem Stummel des kleinen Fingers, der
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