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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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anderer Bücher liegen. Er nahm das eine hoch, das schon aufgeschlagen war, und überflog die geschwungene Schrift, hoffte daraus erkennen zu können, woran der Abt arbeitete. Sie war schwer zu lesen und noch schwerer zu verstehen. Am Ende einer Seite befand sich eine merkwürdige Zeichnung mit dünnen Linien, die einander umwanden. Er versuchte ihr einen Sinn zu entnehmen.
    Er legte den Kopf schräg und musterte die Seite, bis er etwas erkannte: eine große Figur mit gezogenem Schwert stand über einem liegenden Ritter. Der Künstler hatte das Schwert sorgfältig mit Tinte geschwärzt. Die Schrift darunter lautete: »Veleres Fall«.
Mayel nahm an, dass die liegende Gestalt Velere war, der Elfenprinz. Die alte Schrift beschrieb offenbar die Taten eines unsterblichen Helden namens Aracnan und seine besondere Treue zu seinem Lord. Mayel fand jedoch nicht heraus, wer sein Lord eigentlich war, denn der Name wurde nicht erwähnt. Es ging um einen Kampf in einem Wildblumenfeld und eine Wand aus wogendem Rauch, die Aracnan bei seiner heiligen Queste half. Dieser Abschnitt war von der Unzahl an Gelehrten dunkel verfärbt, die beim Lesen mit ihrem Finger darübergestrichen hatten, doch Mayel begriff nicht, warum sie wichtig sein sollte. Er wusste, dass dieses Buch nicht aus der Bibliothek stammte, sondern aus der Sammlung des Abts, und das bedeutete, dass der Abt – und vor ihm möglicherweise andere Äbte – es für wichtig hielt.
    »Das ist jetzt nicht wichtig«, ermahnte sich Mayel. »Du lässt dich ablenken. Du sollst keine Bücher lesen, sondern diese verdammte Kiste suchen.«
    Das Zimmer war unordentlich. Mayel hatte es nicht mehr betreten dürfen, nachdem er den Tisch für den Abt hereingeschafft hatte. Er fuhr mit seiner Suche fort und fand unter dem Tisch versteckt ein weiteres kostbares Buch, in ein angelaufenes, silbriges Metall eingebunden. Es war in Wachstuch eingeschlagen. Der Buchtitel wirkte, als hätte man ihn von Hand darauf geschrieben, aber die Worte ergaben keinen Sinn für ihn – diese Sprache hatte er auch im Kloster noch nie gesehen … Es erschien ihm seltsam, dass man den Titel eines so edlen Buches nur darauf geschrieben und nicht eingraviert hatte.
    Er versuchte es zu öffnen, aber zu seiner Verwunderung regte sich der Deckel nicht. Es gab keinen offensichtlichen Öffnungsmechanismus, und auch, als er das Buch von allen Seiten betrachtete, sah er nichts, was es geschlossen hielt. Mayel fuhr mit der Fingerspitze an der Innenkante des harten Lederdeckels entlang und schrie auf, als sich etwas Scharfes in seinen Finger grub.
Er warf das Buch auf den Tisch und steckte den Finger in den Mund. Nach einem Augenblick zog er ihn wieder heraus, um den Schnitt zu begutachten. Es lief noch immer Blut aus einer kleinen Wunde. Als er es wegleckte, erkannte er, dass der Schnitt eine merkwürdige Form hatte, beinahe wie ein kleines offizielles Monogramm, das sich aus zwei verwobenen Buchstaben zusammensetzte: V und V. Mayel verglich diese Form mit dem Buchdeckel. Er fand das Zeichen in einer Efeuranke versteckt wieder.
    »Na, das ist ja seltsam«, murmelte er und untersuchte das Buch noch einmal. Er konnte nichts Scharfes entdecken – aber als er mit dem Fingernagel über die gleiche Stelle fuhr, blitzte es silbern auf – und das gleiche Zeichen war in seinen Fingernagel geschnitten.
    »Magie«, keuchte er erstaunt. Der Abt war ein vollendeter Magier, aber Mayel besaß kein Talent dafür. Schon dieses Buch zu halten, auf dem eine kleine Verzauberung lag, war so aufregend für ihn, dass er das Stechen in seinem blutenden Finger ganz vergaß.
    Über ihm erklang ein Kratzen, das ihn zusammenzucken ließ: Die Küchentür wurde geöffnet. Mayel hatte einen kleinen Stein unter die Tür geschoben, und das dadurch hervorgerufene Scharren hatte ihn gewarnt. Er ergriff die Lampe und blies die Flamme aus. Als er ein letztes Mal den Blick durch den Raum schweifen ließ, entdeckte er die Kiste. Sie stand offen, und nur ein langer, roter Seidenschal lag noch darin. Der Schal hatte dem Schutz gedient, aber was darin eingewickelt gewesen war, lag nun nicht mehr in der lackierten Kiste.
    Mayel fluchte leise und murmelte dann: »Nun, für Gold braucht man keine Schutzhülle.« Mit der gelöschten Lampe in der Hand öffnete er die Tür und ging die Treppe hinauf.
    Er erschien lautlos hinter dem alten Mann und rief: »Abt Doren, Ihr seid zurück.«

    »Ja, ja. Ich hatte eine Idee, die ich aufschreiben muss.« Der Abt

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