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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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musterte ihn misstrauisch, aber der Novize hatte den unschuldigen Ausdruck für die Altvorderen des Klosters schon vor langer Zeit zur Meisterschaft getrieben.
    »Ihr hättet wirklich länger an der frischen Luft bleiben sollen. Ihr habt gestern Abend kaum etwas gegessen und die ganze Nacht durchgearbeitet.« Mayel hob die Lampe, als wolle er einen Beweis präsentieren.
    »Ah, du füllst die Lampen nach?«
    »Natürlich, Vater.« Er legte eine unschuldige Verwunderung in seine Züge. »Ihr wolltet nicht, dass ich das Laboratorium aufräume, aber Licht braucht Ihr für Eure Arbeit dennoch.«
    Der Abt musterte sein junges Mündel, dann kratzte er sich abwesend den Kopf. »Sehr gut gemacht.« Er wirkte nicht recht überzeugt, aber der mangelnde Schlaf hatte seine Sinne getrübt. »Ich möchte, dass du einen Botengang für mich unternimmst«, sagte er schließlich.
     
    Mayel lächelte zur Sonne hinauf. Sie war erst vor zwei Stunden aufgegangen und im Vergleich zur grausamen Mittagshitze noch angenehm. Die Straßen waren trotz des schönen Morgens leer, aber er hörte das beständige Murmeln der Stadt um sich herum. Erschrocken wich er vor einem Rascheln in den verkohlten Überresten einer Hütte zurück und fühlte sich mit einem Mal allein. Er konnte auf der mit dunkelgrünen Grasflecken durchzogenen nackten Erde hinter der Hütte nichts sehen, nicht einmal eine Ratte oder eine streunende Katze.
    »Guten Morgen, Vetter«, rief jemand hinter ihm. Mayel drehte sich entsetzt herum und beruhigte sich erst wieder, als er Shandek erkannte, der mit einem seiner Schläger wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Sein Vetter war ein stämmiger Mann von dreiunddreißig Sommern, mit dem Haar und der Hautfarbe
eines Farlan. Mayel, halb so alt, hatte dunklere Haut und helleres Haar, hatte sich Letzteres allerdings geschoren, um die Tonsur loszuwerden, die ihn als Anhänger Vellerns auswies. Er verspürte ein Gefühl der Freiheit, wenn der Wind über seine Ohren und seinen Nacken strich. Shandek hingegen war stolz auf sein langes, strähniges Haar, das auf den Straßen, die er beherrschte, sein Erkennungszeichen war.
    »Dieser Morgen ist besser als die anderen, die uns seit unserer Ankunft willkommen geheißen haben«, antwortete Mayel lächelnd. Sechs Jahre im Kloster hatten ihre Spuren in Gestalt einer kultivierten Sprache und gewisser Bildung hinterlassen. Trotz seines Reichtums und seines Einflusses bewunderte der ungebildete Shandek, so wusste Mayel, heimlich alle, die lesen und schreiben konnten. Er zählte darauf, denn Blutsbande allein waren nicht sehr verlässlich.
    »Das stimmt wohl. Wir haben uns schon gefragt, ob dein Abt nicht die dunklen Wolken mitgebracht hat.« Shandek trat grinsend vor und legte einen Arm um Mayels Schulter. »Wie kommen die Versuche deines Abts voran? Hast du schon herausgefunden, was er da anstellt?«
    Mayel schüttelte den Kopf. »Er lässt mich immer noch nicht in das Laboratorium. Er sagt, es wäre zu meiner eigenen Sicherheit, aber ich weiß, dass er schlichtweg keinem vertraut. Wenn sich Dohle noch nach Jahren in seinem Dienst gegen ihn wenden kann, so muss er es bei jedem befürchten.«
    »Ich finde immer noch, wir sollten es ihm einfach abnehmen«, brummte Shandeks Begleiter, ein Mann, der breit genug war, um trotz einer Größe von fast zwei Schritt gedrungen zu wirken. »Ein alter Mann ist für mich und Shyn doch kein Problem.«
    Shandek klopfte seinem Kameraden freundschaftlich auf die Schulter. »Halt den Mund, Brohm. Auch wenn er sich versteckt,
der Mann ist immer noch ein Hohepriester. Der krempelt dich auf links, kaum dass du durch die Tür bist.«
    »Die müssen doch Tränke brauen, um Magie zu machen. Und das soll schneller sein, als ihm den Wanst aufzuschlitzen?«
    »Das beweist nur deine Unwissenheit, Brohm«, erklärte Mayel. »Er kann die Energie aus der Luft ziehen – ich habe gesehen, wie er mit einem Fingerschnippen Feuer entzündet hat. Wenn deine Unterwäsche also nicht aus Stahl ist, kommst du wahrscheinlich nicht mal dazu, dein Messer da zu benutzen. Und wenn das nicht reicht, kann er immer noch in Gedankenschnelle auf einen Aspekt Vellerns zurückgreifen, der sich dann besonders viel Mühe mit dir geben wird, weil du den Abt verletzen wolltest. Sein Aspektführer wird Erwillen, der Hohe Jäger genannt, und er besitzt riesige Klauen, mit denen er dir mit Leichtigkeit den Kopf abreißen könnte, und einen Dreizack, auf den er ihn danach aufspießen kann. Du würdest dir

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