Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
mit gezackten Narben übersät war. »Das hier war eine kleine Erinnerung daran,
dass man auch nicht zu angestrengt versuchen sollte, ihn zu erfahren. Andere Männer sind gestorben, weil sie die Botschaft nicht verstanden haben.«
    Er wies die Straße hinab, die ins Stadtzentrum führte, und sagte noch immer leise: »Ich habe gehört, dass er vor wenigen Tagen einen Befehl zurückgenommen hat. Das ist das erste Mal, dass ich so was höre. Hast du Lust, durch das Schlachterviertel zu spazieren? Dich noch mal an den Orten deiner Jugend herumzudrücken? Ich habe gehört, dort soll eine Schaustellertruppe das versunkene Theater wieder instand setzen. Seit dein alter Freund dort vor zwei Jahren Feuer gelegt hat, ist es ganz heruntergekommen.«
    »Alter Freund? Wer … Shirrel?«
    »Genau … der Mistkerl. Ich habe nie verstanden, warum du mit dem befreundet warst, aber …«
    »Warum wir befreundet waren?«, rief Mayel. »Ich war vielleicht jung, aber so dumm war ich nie. Wenn Shirrel dein Freund sein wollte, dann war man eben auch sein Freund. Es sei denn, man wollte von Flammen umgeben aufwachen.«
    »Nun, das wird nicht passieren. Der irre Dreckskerl hat beschlossen, dass er während des Brandes im Theater bleiben wollte. Vielleicht hat er seiner eigenen Vorstellung zugesehen?«
    »Frag nicht mich, wie sein Verstand funktionierte.« Mayel verlor sich zu sehr in der Erinnerung an die Armut und die Tücke der Kindheit, als dass er Shandeks Versuch bemerkt hätte, einen Scherz zu machen.
    »Wie dem auch sei – was hat es mit dieser Schaustellertruppe auf sich?«
    »Ach ja, jemand wurde ausgeschickt, um ein kleines Zeichen der Anerkennung für Spinne bei ihnen abzuholen, und es stellte sich heraus, dass sie keines hatten.«
    »Sind sie verrückt?«

    »Vielleicht. Der Ausgeschickte wurde übel verprügelt. Offenbar arbeiten einige Albinos für sie, bösartige, haarlose Scheißer, die barfuß gehen und in einer Sprache vor sich hinbrabbeln, die keiner versteht. Müssen aus der Brache stammen oder so, solche Kerle habe ich nie zuvor gesehen. Die haben in den Schenken auch mehr als einen Kampf vom Zaume gebrochen. Es heißt, sie söffen wie Chetse. Auf jeden Fall haben sie sich den Boten vorgenommen und ihn dann auf die Straße geworfen. Der kann nicht mehr so gut reden und wird vielleicht nie wieder gehen können.«
    »Also hat Spinne angeordnet, dass man das Theater noch mal abfackelt?«
    »Genau. Aber das ist nicht passiert, warum weiß ich nicht, und am nächsten Tag hat Spinne den Befehl zurückgenommen. Er sei zu einer ›Vereinbarung‹ mit denen gelangt, sagt er, und man soll sie in Frieden lassen.« Shandek war offenbar nicht erfreut darüber, dass er nicht Bescheid wusste. Das Theater grenzte an sein Gebiet.
    »Klingt, als hätte er Angst.«
    »Das denke ich auch. Diese Albinos müssen ganz schön übel sein, wenn sie diesem Scheißkerl Angst einjagen können.«
    »Und warum gehen wir dahin?«
    Mayels Ausdruck musste seine Gefühle verraten haben, denn Shandek sah ihn an und lachte laut los. »Nein, ich bringe dich nicht dahin, damit du sie bekämpfst, du Schwachkopf! Spinne sagte, wir sollen sie nicht anmachen, und das habe ich auch nicht vor.« Shandek wedelte tadelnd mit einem Finger vor Mayels Gesicht. »Aber er hat nichts davon gesagt, nett mit ihnen zu reden. Wir gehen nur so auf ein Schwätzchen vorbei – sehen mal, was wir rausfinden können. Vielleicht sind sie bloß wahnsinnig und hatten Glück, aber das bezweifle ich. Nein, sie haben ein böses Ass im Ärmel und es interessiert mich, wie es aussieht. Und dann ist da natürlich noch meine goldene Lebensregel …«

    »Welche denn?«
    »Wenn jemand etwas zu verbergen hat, kann man Geld verdienen. Da geht etwas vor sich. Vielleicht können sie jemanden gebrauchen, der sich hier auskennt, einen Mann, der unauffällig und schnell einiges herausfinden kann. Entweder das, oder die Obrigkeit lässt etwas springen, um mehr über sie zu erfahren.«
    »Und wenn du dabei einen mächtigen Freund findest?«
    »Umso besser, mein Bester«, kicherte Shandek. »Ich pflege immer zu sagen: Ein neuer Freund erwärmt das Herz.«
     
    Das Schlachterviertel bestand aus engen, dunklen Gassen. Die beiden richtigen Straßen, die hindurchführten, waren mit Unterständen und Wagen zugestellt worden, noch während der letzte Kopfstein gelegt wurde.
    Der Geruch hatte sich nicht verändert: faulendes Gemüse, Unrat und von der Sonne verdorbenes Fleisch. Die Gosse in der Mitte

Weitere Kostenlose Bücher