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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Lächeln ab und legte dem alten Mann den Arm um die Schulter. Während sie langsam auf den Steinhaufen zugingen, wurde Isaks Lächeln aufrichtiger. Es war seltsam: Erst seit es sich für einen Mann seiner Stellung nicht mehr ziemte, verspürte er das Bedürfnis, den Mann zu umarmen, der stets eher wie ein Vater für ihn gewesen war als Horman.

    »Willst du beten?«, fragte Carel zweifelnd. Er kannte das Weißauge schon fast sein ganzes Leben lang und wusste darum, dass Isak Mitleid stets verabscheut hatte.
    Isak zuckte mit den Schultern. »Das sollte ich mir wohl früher oder später angewöhnen, jetzt, da ich so wichtig bin.«
    »Es ist dennoch nichts, was ich von dir erwartet hätte«, sagte der Marschall leise und achtete darauf, dass niemand sie hören konnte. Die Soldaten waren handverlesen, Männer der Palastgarde, und vollkommen vertrauenswürdig. Aber dieses Geheimnis war zu unerhört, um es anderen anzuvertrauen.
    »Von ihm auch nicht«, erinnerte Isak ihn lächelnd. »Hör auf zu hadern wie ein altes Weib. Tila kann das gut genug, um es für euch beide zu übernehmen.«
    »Worum geht es dann?«, fragte Carel verwundert.
    Isak seufzte. »Nichts Wichtiges. Ich wollte nur einige Minuten die Aussicht genießen und den Kopf frei bekommen. Er erinnert sich jetzt langsam an die Dinge, die er in den Kristallschädeln eingeschlossen hat. Ein Teil von ihm hat mich seit meiner Geburt begleitet, aber so viel mehr war für Jahrtausende verschollen, und diese Dinge heitern einen nicht eben auf. Die Unterlegenen haben nur wenige fröhliche Erinnerungen.«
    Während dieser Worte fanden seine Finger wie von selbst ihren Weg zu der gläsernen Form, die mit seinem Brustpanzer verschmolzen war.
    Seit er ihre gewaltige Macht gespürt hatte, hatte er es nicht gewagt, sich mit den uralten Artefakten zu beschäftigen. Dennoch blieb ihre Nähe seltsamerweise beruhigend.
    »Was für Erinnerungen?«
    »Schlachten, der Tod seines Sohnes, manchmal nur Bruchstücke, die keinen Sinn ergeben, wie meine Träume; und manchmal auch Dinge, die einiges erklären.«
    »Zum Beispiel?«, hakte Carel sanft nach.

    »Du erinnerst dich an den Tag, an dem all dies hier begann?«
    »Aracnan?«
    Wut kochte in Isaks Bauch auf, doch er besänftigte sie. »Aracnan. Er tötete Velere, Aryn Bwrs Sohn und Erben. Ich spürte Aryn Bwrs Hass, darum ging ich nicht mit ihm – und ich vermute, dass Aracnan aus dem gleichen Grund nicht näher kam. Er wusste nicht, mit was er es zu tun hatte. Als er seine Sinne aussandte, fanden sie nicht nur den ängstlichen Jungen, den er erwartet hatte.«
    »Und wenn du erneut auf ihn triffst?« Vesna trat mit Tila, die sich bei ihm eingehakt hatte, zu Isak und Carel. Beide blickten besorgt auf das Weißauge. Die religiösen Amulette, die an gelben Bändern hingen und in Tilas langes Haar geflochten waren, klimperten leise im Wind.
    Isak schnitt eine Grimasse. »Darauf habe ich keine Antwort.« Er blickte den Weg zurück, den sie gekommen waren, beinahe als erwarte er Aracnan dort zu sehen. Doch der Pfad war leer. Bienenfänger zischten mit gespreizten grünen Flügeln dicht über dem Boden dahin, schnappten nach Beute, die er nicht erkennen konnte. Die schlanken Vögel wären ein gutes Zeichen gewesen, wenn er sich wirklich Sorgen über Verfolger gemacht hätte. Sie würden nicht jagen, wenn sich Männer im Gras versteckten. »Wenn ich Aracnan erneut treffe, weiß ich nicht, was er tun wird«, gab er zu.
    »Aber was werdet Ihr tun? Werdet Ihr in der Lage sein … ihn … zu kontrollieren, bevor er zuschlägt, wie er es bei dem Hohepriester Larats getan hat?«, fragte Tila.
    »Das war etwas anderes, da war ich noch nicht auf ihn vorbereitet«, sagte Isak. »Jetzt weiß ich aber, welche Gefahr er darstellt. Ihr werdet mir vertrauen müssen, wenn ich sage, dass Aryn Bwr nicht stark genug ist, die Kontrolle über mich an sich zu reißen. Bei den Efeuringen hatte er seine einzige Chance – und
er hat versagt. Jetzt bin ich vorbereitet – und damit stärker als er. Und meine Stärke nimmt weiter zu.«
    »Noch immer?«
    Isak lächelte. »Vielleicht nicht körperlich, aber ich habe erfahren, dass auch andere Dinge wichtig sind. Ihr Götter, Carel, kannst du es fassen, dass es weniger als ein Jahr her ist, seit ich deinen Wagen lenkte und mich beschwerte, dass ich nicht einmal zur Palastgarde zugelassen werden würde?« Er lachte.
    Sie erreichten den Schrein und Isak strich mit den Fingern über den hüfthohen Steinhaufen.

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