Sturmbringerin
Absicht.«
»Und dennoch tust du es.«
»Du hast auch noch deine Freunde«, warf Mairis ein.
Ich schnaubte verächtlich. »Im besten Fall verwahrlosen sie in einer Zelle wie ich, im schlimmsten nagen die Geier bereits an ihren Knochen. So oder so sind sie für mich nicht erreichbar.«
»Du hast Recht. Sie sind ebenfalls eingesperrt, aber sie sind alle am Leben«, versuchte Orena mich aufzumuntern.
Abermals fragte ich mich, warum sie tat, was sie tat. Warum quälte sie mich tagsüber, wenn sie abends versuchte, mich aufzumuntern und mich scheinbar zum Durchhalten zu motivieren?
So sehr ich es auch versuchte, konnte ich ihre Beweggründe immer noch nicht begreifen.
»Das sagst du. Hias sagt etwas anderes. Warum sollte ich dir mehr Glauben schenken als ihm?«
»Weil wir im Gegensatz zu Hias etwas für dich tun.« Orena versuchte nicht gereizt zu klingen, dennoch bemerkte ich den scharfen Unterton in ihrer Stimme.
Sie war durchaus im Recht. Ich beschloss, das Thema ruhen zu lassen. Schließlich wollte ich nicht, dass sie ihre abendlichen Bemühungen einstellten. Immerhin half es mir tatsächlich, um den nächsten Tag zu überstehen.
»Stimmt es, was Degan und du über deine Heimat gesagt habt?«, fragte Mairis neugierig.
Ich nickte. »Ja, noch vor kurzem war ich Kronprinzessin von Gorania. Lascas Bevölkerung geht es gut und so etwas wie Putschversuche gab es bei uns noch nie.«
Orena lauschte ebenfalls aufmerksam meinen Worten. »Gorania?«
»Das Land der Wasserelementare«, erklärte ich. »Die Insel ist in drei Gebiete unterteilt.«
»Dann gibt es tatsächlich auch noch Wind- und Feuerelementare?«, fragte Orena weiter.
Ein schmerzhafter Stich durchzuckte mein Herz, als ich an Kiren und Celia denken musste. Ich wollte zu einer Antwort ansetzen, aber meine Kehle war wie zugeschnürt, daher nickte ich abermals.
Seit Vans und meiner Flucht aus unserer Heimat hatte ich kein ernsthaftes Heimweh verspürt. Solange Van an meiner Seite war, hatte ich keinen Grund dazu gehabt und war glücklich. Doch nun erschien es mir eine Ewigkeit her zu sein, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Ein Teil von mir sehnte sich in diese Zeit zurück. Ich hatte dort ebenfalls Kummer und Schmerzen erfahren müssen, aber Alles in Allem erschien es mir rückblickend betrachtet friedlicher und vor allem unbeschwerter.
Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass im Nachhinein die schlimmen Erinnerungen verblassen und man sich versucht an den guten festzuhalten.
Mir entfuhr ein Seufzen, woraufhin ich mir hastig auf die Lippe biss, um es zu unterdrücken.
Mairis zog soeben ihre Hand unter meiner Decke hervor. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sie sie darunter geschoben hatte.
Dankbar nickte ich ihr zu. Die beiden verabschiedeten sich von mir und ließen mich allein mit meinem Kummer.
Ich musste dafür sorgen, dass sich meine Situation änderte, nur hatte ich noch keine Idee, wie ich dies erreichen konnte. Die halbe Nacht hindurch verbrachte ich mit Grübeln, bis mich doch noch die Erschöpfung übermannte und ich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Verwirrt
Quentin war mit einer Splittergruppe des Widerstands unterwegs. Allem Anschein nach war ihr unbekanntes Ziel immer noch nicht in Reichweite. Drei Wochen marschierten sie schon, ohne genau zu wissen wohin.
Leandra und die anderen hüllten sich diesbezüglich in tiefes Schweigen. Offenbar hatten sie erkannt, dass ein Spion in ihren Reihen lauerte.
Khio wurde von Tag zu Tag penetranter. Seit ein paar Tagen verschwand er gar nicht mehr. Quentin sah in den von der Abenddämmerung rötlich gefärbten Himmel. Auch jetzt kreiste der Adler über ihm und stieß einen heiseren Ruf aus.
Quentin fühlte sich verfolgt und gehetzt. Es strapazierte seine Nerven, ganz genau zu wissen, dass jeder seiner Schritte beobachtet und offensichtlich berichtet wurde. Zu seiner Verwunderung quälte ihn Zersias Gemütszustand noch mehr als die Beschattung.
Seitdem man sie in aller Frühe geweckt und zum Aufbruch getrieben hatte, war sie niedergeschlagen. Sie vermisste den Elementar und hatte Angst vor dem, was man ihrer Freundin antat.
Zum Glück wusste Zersia nichts von Quentins Beteiligung an diesem Hinterhalt. Die Vorstellung, sie könnte es herausfinden, beunruhigte ihn ungemein. Vermutlich würde sie ihn in ihrem Zorn einfach töten. Seltsamerweise war dies nicht, was Quentin am meisten fürchtete.
Es war der Blick, mit dem Zersia ihn ansähe, sollte sie die Wahrheit
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