Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
zu Evangeline. »Tut mir leid, Miss Clemens. Lassen … lassen Sie uns nach unten gehen und einen Kaffee trinken.«
Austin wollte sie nicht einmal ansehen. Im ersten Moment wollte sie fliehen, es endgültig aufgeben. Wie viel einfacher wäre es, mit Mr. Seward in die Offiziersmesse zu gehen, einen heißen Kaffee zu trinken und ihm von ihren Sorgen zu erzählen! Mr. Seward schaffte es immer wieder, sie zum Lachen zu bringen.
Trotzdem ballte sie jetzt die Fäuste und stapfte an dem unglücklichen Mr. Seward vorbei, um Austin abermals anzusprechen. »Ich bin nicht einer Ihrer Matrosen, den Sie herumkommandieren können, Captain! Sie gehen mir seit fast zwei Wochen aus dem Weg, aber jetzt hören Sie sich an, was ich zu sagen habe!«
Als er sich nun zu ihr umwandte, war nichts Distanziertes mehr in seinem Blick. Vielmehr sprühten seine Augen buchstäblich Funken vor Zorn.
Er kam auf sie zugestürmt, was bei seiner Größe beängstigend wirkte. Evangeline stieß einen stummen Schrei aus und sprang ihm aus dem Weg. Allerdings blieb sie an der Leiter stehen, wandte sich um und sah ihn trotzig an.
»Mir machen Sie keine Angst.«
Ihre zitternden Beine straften sie Lügen.
Er stützte die Hände zu beiden Seiten von ihr oben auf der Leiter ab, so dass sie zwischen seinen Armen gefangen war. »Niemand kommt ohne meine Erlaubnis auf dieses Deck. Und Sie haben meine Erlaubnis nicht.«
»Ich will Ihnen lediglich eine Frage stellen.«
»Nicht auf meinem Deck!«
Sie blickte ihm entschlossen ins Gesicht, und er erwiderte ihren Blick mit einer furchterregenden Strenge.
»Mich können Sie nicht einschüchtern. Ich gehöre nicht zu Ihrer Crew.«
»Bringen Sie sie hinunter, Mr. Seward. Sofort!«
Seward lugte hilflos um Austins Arm herum zu Evangeline. »Miss Clemens, bitte?«
Evangeline blickte von ihm zu Austin, dessen Miene wie versteinert war, und ihre Knie drohten nachzugeben. »Na schön, ich gehe – aber nur, weil ich Mr. Seward keine Schwierigkeiten machen möchte.«
Er erwiderte nichts, sondern trat stumm einen Schritt zurück und bedeutete Mr. Seward mit übertriebener Höflichkeit, die Leiter hinabzusteigen. Der junge Lieutenant kletterte eilig nach unten und wartete dort auf Evangeline, der er über den großen Abstand zwischen der letzten Sprosse und dem Deck half.
Nachdem sie ihre Röcke wieder gerichtet hatte, sah sie noch einmal nach oben, doch Austin war schon wieder weg.
»Captain Blackwell!«
Er sprach mit Lornham am Ruder, und erneut stand er mit dem Rücken zu ihr.
»Ich bin nicht mehr auf Ihrem Deck, Captain. Sie könnten mir wenigstens meine Frage beantworten!«
Er drehte sich um und kam gelassen zum oberen Leiterende geschlendert. »Ich habe ein Schiff zu segeln, Miss Clemens. Mr. Seward kann Ihnen Ihre Fragen beantworten.«
»Ich habe ihn schon gefragt, und er konnte mir nicht helfen.«
Seward begann, hektisch zu gestikulieren, dass sie bitte schweigen möge.
»Wenn er keine Antwort weiß, dann weiß ich auch keine.«
»Ich weiß, dass Sie mich über Bord werfen möchten, Captain, und das dürfen Sie auch, wenn ich fertig bin, aber die Angelegenheit ist wichtig.«
Austin warf Seward einen Blick zu, bevor er wieder zu ihr sah. »Nun gut, Miss Clemens. Wie lautet Ihre Frage?«
Sie atmete tief durch, während Seward sich die Augen bedeckte. »Sie haben mir mein Gebetbuch weggenommen. Kann ich es zurückhaben?«
Eine ganze Weile blickte er sie stumm an. Sie konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten, doch er hielt sie regelrecht fest.
»Nein«, entgegnete er dann abrupt und wandte sich wieder ab.
Kurz nach Mitternacht schlich Evangeline sich über das dunkle Deck, um ihr Buch aus Austins Kabine zu holen.
Sie eilte im Schatten über das Deck. Dass Austin nicht in seiner Kabine war, wusste sie, weil er gegenüber Osborn in der Offiziersmesse erwähnt hatte, dass er heute Nacht eine Wache zusätzlich übernehmen würde. Dennoch rechnete sie beinahe damit, dass er jeden Moment auftauchen und sie in ihre Kabine zurückbugsieren würde – oder aber sie gleich in die Brigg werfen und Mr. Seward anweisen, ihr dann und wann einen harten Brotkanten zu geben, um den sie sich mit den Ratten streiten dürfte.
Immerhin gelangte sie bis zur Treppe, ohne dass jemand sie ertappte. Auf dem Schiff war alles still, bis auf den Wind in der Betakelung und die Wellen, die leise gegen den Rumpf klatschten. Die See war ruhig, der Mond stand hoch, und die Segel warfen kantige Schatten aufs
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