Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
und schnarchte leise vor sich hin. Gegen das Geplapper der Frau bei der Hinfahrt war das Schnarchen geradezu eine Wohltat.
Auch wenn Sunas Besuch beim Sylter Tageblatt insgesamt ein Fehlschlag gewesen war, hatte er ihr doch geholfen, das Bild zu vervollständigen, das sie sich von Fenjas unbekanntem Verfolger gemacht hatte.
Es war ihr deutlich vor Augen geführt worden, dass er nicht zimperlich war: Eine Todesanzeige für eine Lebende aufzugeben, war schon ziemlich fies, aber dies auch noch im Namen eines Toten zu tun, setzte dem Ganzen die Krone auf.
So ganz umsonst war die Aktion also doch nicht gewesen, überlegte Suna weiter. Zwar war die Beschreibung des Inserenten durch die Rothaarige beinahe schon lächerlich ungenau gewesen, aber ein paar Informationen hatte sie ihr trotzdem gebracht. Suna war sich nämlich ganz sicher, dass sie zwei Personen streichen konnte, die als Verdächtige auf ihrer Liste gestanden hatten. Da war zum einen Claudia Kronholz. Selbst wenn sich die Blondine unter einer Mütze versteckt und ihre Stimme verstellt hätte, wäre sie niemals für einen Mann gehalten worden. Zum anderen war es ausgeschlossen, dass es sich bei dem Inserenten um Holger Asmussen, Marks ehemaligen Chef, gehandelt haben konnte. Dessen dichter grauer Vollbart wäre jedem sofort aufgefallen.
Das Klingeln ihres Handys riss Suna aus ihren Gedanken. Sie lächelte, als sie Kobos Nummer auf dem Display erkannte.
»Na, das wurde ja auch langsam Zeit«, meldete sie sich. »Hast du was für mich?«
»Hatte ich jemals nichts für dich?«, gab Kobo in genauso flapsigem Tonfall zurück. »Natürlich habe ich was, aber leider nicht viel.«
Suna holte ihren Block und einen Kuli aus ihrer Tasche. Bei schnellen Notizen zog sie die altmodische Papierform immer noch vor. »Okay, dann leg mal los.«
»Also, dein Toter scheint im Netz nicht besonders aktiv gewesen zu sein. Kein Facebook-Profil, kein Twitter-Account, keine Mitgliedschaft in anderen sozialen Netzwerken. Das Einzige, wo er aufgetaucht ist, war die nebenbei gesagt äußerst schlecht gemachte Homepage dieser Versicherungsagentur, in der er gearbeitet hat.«
»Die von Holger Asmussen?«, hakte Suna nach.
»Genau die meine ich. Ansonsten gab es nichts, und damit will ich sagen: wirklich überhaupt nichts. Keine Erwähnungen privat, auf Seiten von Freunden oder von Sportvereinen. Ich musste ganz schön tief graben, um doch etwas zu finden.«
Suna setzte sich interessiert auf. »Und, was hast du gefunden?«, drängte sie, als Kobo eine bedeutungsvolle Pause einlegte.
»Du hast doch gesagt, der Typ wäre bei seiner Familie in Hannover aufgewachsen. Das stimmt so aber nicht. Seine Eltern und sein Bruder sind bei einem Autounfall gestorben, als Mark zehn Jahre alt war. Er kam dann in eine Pflegefamilie namens Katridis, die auch in der Nähe von Hannover gewohnt hat und immer noch wohnt.
»Das ist interessant«, murmelte Suna nachdenklich. Damit war auch ein Punkt gelöst, der ihr vorher Kopfzerbrechen bereitet hatte, den sie aber wegen des Trubels mit der vollgeschmierten Schaufensterscheibe und der falschen Todesanzeige gar nicht mehr bei Fenja zur Sprache gebracht hatte. Wenn Mark keine Angehörigen mehr gehabt hatte, war es nur logisch, dass seine Bestattung Aufgabe der Gemeinde gewesen war.
Ihre Gedankengänge wurden durch Kobo unterbrochen, der wieder ihre Aufmerksamkeit forderte.
»Aber das eigentlich Interessante hast du ja noch gar nicht gehört,« sagte er. Wieder legte er eine effekthascherische Pause ein, bevor er fortfuhr: »Es geht gar nicht so sehr darum, dass, sondern wo der Unfall stattgefunden hat. Das war nämlich auf Sylt, auf der Straße zwischen Westerland und Rantum.«
Suna brauchte einen Moment, um die Neuigkeiten zu verarbeiten.
»Bist du sicher?«, fragte sie dann.
»Also bitte«, Kobos Stimme klang gekränkt. »Natürlich bin ich sicher. Die Familie von Mark Sennemann hat auf Sylt Urlaub gemacht und war gerade nach einem Ausflug in ihrem Kombi auf dem Rückweg nach Rantum, wo die Eltern ein Ferienhaus gemietet hatten. Ein Lieferwagen kam ihnen entgegen. Der Fahrer war wohl viel zu schnell unterwegs, hat die Kontrolle verloren und ist frontal in den Wagen der Sennemanns reingerast. Die Eltern waren auf der Stelle tot, der Bruder ist noch auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Mark selbst hatte auch ziemlich schwere Verletzungen, hat aber – wie wir ja wissen – überlebt.«
»Um dann vierzehn Jahre später durch einen Stich in den Hals
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