Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
getötet zu werden«, sagte Suna leise. Sie atmete hörbar aus. »Das Leben kann manchmal echt grausam sein. Weißt du eigentlich auch etwas über den Unfallverursacher?«
»Die Frage habe ich jetzt mal zu Deinen Gunsten überhört«, gab Kobo hochmütig zurück. »Sonst könnte ich noch auf die Idee kommen, dass du mich für einen Dilettanten hältst.«
Suna lachte. »Jetzt rück schon raus damit, ich bezahle dich schließlich nicht für blöde Sprüche!«
»Der Unfallverursacher kam aus Sylt und hieß Wolfram Köhne, geboren 1959 in Niebüll, gestorben vor ziemlich genau sechs Monaten in Westerland.«
»Und die Todesursache?«
»Hör mal, Suna, sehe ich aus wie ein Pathologe?«, erwiderte Kobo in gespielt beleidigtem Tonfall. »Ein bisschen was musst du schon noch selbst herausfinden, sonst kann ich ja gleich deinen Job übernehmen. Dann streiche ich aber auch die ganze Kohle für den Auftrag ein.«
»Schon gut.« Wieder lachte Suna auf. Gespräche mit Kobo waren für sie immer wieder Lichtblicke im ansonsten manchmal so trüben Detektivalltag. »Ich sehe mal, was ich noch rausfinden kann. Auf jeden Fall hast du mir sehr weitergeholfen. Das mit dem Unfall ist ein ganz neuer Aspekt, dem ich nachgehen kann.«
»Okay, dann viel Erfolg dabei. Melde dich, wenn du noch was brauchst.«
»Einen Moment!«, rief Suna, bevor Kobo auflegen konnte. »Eine Sache hätte ich da noch. Du müsstest jemanden für mich überprüfen, und zwar die Freundin meiner Auftraggeberin. Sie arbeitet im gleichen Souvenirshop. Das war übrigens diejenige, die Mark tot aufgefunden hat. Ich habe aber nur den Namen und das Geburtsdatum. Allerdings bin ich mir selbst da nicht ganz sicher, ob die Angaben stimmen.«
Kobo stöhnte auf, als Suna ihm die Daten mitgeteilt hatte. »Ist das dein Ernst? Ich soll nach einer Carolin Becker suchen, die wahrscheinlich irgendwann mal in Berlin gewohnt hat und ungefähr Mitte zwanzig ist? Hast du schon mal ernsthaft über eine Karriere als Komikerin nachgedacht? Was glaubst du, wie viele Menschen es in und rund um Berlin gibt, die Becker heißen?«
»Du machst das schon. Ich vertraue dir da voll und ganz«, erwiderte Suna zuversichtlich.
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, lehnte sie sich zufrieden in ihrem Sitz zurück und schaffte es tatsächlich, ein wenig den Ausblick aufs Wattenmeer zu genießen. Endlich stocherte sie nicht mehr ziellos im Nebel herum, sondern hatte eine konkrete Spur, der sie nachgehen konnte.
*
Suna war neugierig, von Fenja zu erfahren, was sie über den tragischen Autounfall wusste, bei dem Marks Familie umgekommen war. Da sie aber erst kurz nach fünf Uhr nachmittags wieder in Westerland eintraf, entschied sie sich dagegen, direkt in Hynsteblom zu gehen. Der Laden hatte noch eine knappe Stunde geöffnet, und Suna wusste, dass sie erst nach Ladenschluss ein ruhiges Gespräch mit ihrer Auftraggeberin würde führen können. Stattdessen wollte sie zuerst noch Holger Asmussen, Marks ehemaligem Chef, einen Besuch abstatten.
Seine Versicherungsagentur lag im alten Teil von Westerland in einem schönen, liebevoll restaurierten Friesenhaus, das von einem gepflegten Garten umgeben war. Nur ein dezentes Schild am Gartentor wies darauf hin, dass hier Versicherungen aller Art vermittelt wurden.
Suna öffnete die Gartenpforte und ging durch den schmalen Vorgarten auf das Haus zu. Die Haustür besaß eine einfache Klinke – und war offen. Suna trat ins Innere des Hauses und kam direkt in ein gemütlich eingerichtetes Büro mit zwei Schreibtischen. Einer davon war verwaist, am anderen saß Asmussen mit einem Kunden. Er rechnete dem jungen Mann, der ziemlich durcheinander zu sein schien, anscheinend gerade mehrere Versicherungstarife vor. Als er Suna sah, nickte er ihr kurz zu.
»Einen Augenblick noch, ich bin gleich für Sie da«, sagte er mit seiner unverkennbaren rauchigen Stimme, die sie sofort wiedererkannt hätte. Er dagegen schien sich ihr Gesicht nicht gemerkt zu haben. Kein Wunder, dachte sie. Bei dem Trubel, der am Tag der Wiedereröffnung im Hynsteblom geherrscht hatte, war sie schlicht übersehen worden. Jetzt war sie ganz froh, sich an diesem Tag im Hintergrund gehalten zu haben. So hatte sie den Überraschungseffekt auf ihrer Seite.
»Ich warte dann solange draußen«, gab sie freundlich zurück. Sie wollte nicht aufdringlicher sein als unbedingt nötig.
Es dauerte beinahe eine Viertelstunde, bis der junge Mann das Haus verließ. Dabei machte er einen noch
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