Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
ich dann gehört habe, dass drüben in der Agentur von Holger Asmussen ein Mark Sennemann angefangen hat, habe ich mir meinen Teil dazu gedacht. Aber der Unfall hat nichts mit Marks Tod zu tun. Da muss etwas ganz anderes dahinterstecken.«
»Warum sind Sie da so sicher?«, fragte Suna skeptisch.
Evelyn Köhne verschränkte die Arme vor der Brust. Um ihren Mund zeigte sich ein trotziger Zug. »Hören Sie, der Unfall damals hat schon genug Leid und Schmerz über zwei Familien gebracht. Die Sennemanns sind tot, und mein Mann ist tot. Lassen Sie es damit doch einfach auf sich bewenden.«
»Das kann ich nicht.« Suna sah ihr Gegenüber abschätzend an. Sie konnte nicht genau sagen, welche Gefühle sich im Gesicht der anderen spiegelten. Schmerz? Trauer? Oder Angst?
»Sie haben doch gesagt, dass Sie Fenja gut kennen«, fuhr sie fort. »Ich weiß, dass Sie und Ihr Mann gute Bekannte ihrer Eltern waren. Sie waren sogar befreundet, wie ich gehört habe. Ist es Ihnen egal, wie es ihr geht? Sie kann sich an nichts erinnern und wird fast verrückt, weil sie nicht weiß, was wirklich passiert ist. Was meinen Sie, wie es Ihnen an ihrer Stelle ginge?«
Die Witwe presste fest die Lippen aufeinander und senkte den Blick. »Ich würde Fenja wirklich gern helfen«, fuhr sie nach einer Weile mit brüchiger Stimme fort, »aber das kann ich nicht. Ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass der Unfall nichts mit Marks Tod zu tun haben kann.«
»Woher wollen Sie das wissen? Finden Sie es nicht merkwürdig, dass ein Mann, der seine ganze Familie verliert, ausgerechnet an den Ort des Unfalls zurückkehrt und dort lebt, als wäre nichts gewesen?« Suna hatte lauter gesprochen, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Langsam verlor sie die Geduld.
Frau Köhne schien es ähnlich zu gehen. »Ich habe nie behauptet, dass Mark zufällig nach Westerland gezogen ist«, gab sie scharf zurück.
Suna machte eine beschwichtigende Geste. »Entschuldigung, das war nicht so gemeint. Ich wollte Sie ganz bestimmt nicht anschreien. Aber ich verstehe nicht, was Sie mir jetzt eigentlich sagen wollen.«
»Ich bin im Moment wohl auch ein bisschen dünnhäutig.« Die Witwe lächelte versöhnlich. »Und es ist auch nicht so einfach zu erklären. Wissen Sie, nach dem Unfall hatten mein Mann und ich eine schwere Zeit. Erst kam der Prozess, und dann fing mein Mann an, sich zu verändern. Er ist mit dem, was er getan hat, nicht klargekommen. Immer öfter hat er sein schlechtes Gewissen mit Alkohol zu verdrängen versucht. Erst hat er seinen Führerschein verloren, dann sind uns die Kunden weggerannt, und am Ende mussten wir Konkurs anmelden und das Haus verkaufen. Wir hatten mal ein schönes Häuschen mit Garten, eine gut gehende Firma, eine glückliche Ehe.« Sie wies auf die altmodische Kücheneinrichtung. »Und das ist alles, was mir geblieben ist.«
»Wie ist Ihr Mann gestorben?«, erkundigte Suna sich vorsichtig.
Frau Köhne lachte spöttisch auf. »Der Teufel Alkohol hat ihn sich geholt. Mein Mann ist ganz langsam an seiner Sauferei zugrunde gegangen, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm dabei zuzusehen. Aber manchmal denke ich, eigentlich ist er auch schon bei dem Unfall gestorben. Ich sagte ja, dieser eine Augenblick hat zwei Familien zerstört.«
»Und was war mit Mark Sennemann?«
»Kurz, nachdem ich gehört hatte, dass er hergezogen ist, habe ich ihn zufällig gesehen. Er stand hinter einer Hausecke und hat mich beobachtet, wie ich meinen Mann ins Auto bugsiert habe, um ihn zum Arzt zu fahren. Natürlich habe ich nicht gewusst, wer er ist, aber ich konnte es mir denken. In der nächsten Zeit ist er mir immer wieder aufgefallen. Er hat sich nicht mehr die Mühe gemacht, sich zu verstecken, wenn er uns beobachtet hat. Also habe ich ihn irgendwann einfach direkt angesprochen.«
Suna richtete sich interessiert auf. »Was haben Sie ihm gesagt?«
»Ich habe ihn gefragt, ob er derjenige ist, für den ich ihn halte. Nachdem er mir das bestätigt hatte, wollte er wissen, was mit meinem Mann los sei. Also habe ich ihm erzählt, dass er mit den Folgen des Unfalls nicht klarkommt und sich langsam zu Tode säuft. Und wollen Sie wissen, was er geantwortet hat?«
Suna nickte, sagte aber nichts.
»Er hat geantwortet, also gäbe es wohl doch einen Gott, der für Gerechtigkeit sorgt.« Die Verbitterung in Evelyns Stimme war nicht zu überhören. »Danach hat er uns nicht mehr nachspioniert.«
Suna runzelte die Stirn. »Das klingt aber
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