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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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ein kurzes Zögern. Nicht mehr als eine flüchtige Verwirrtheit, die sie mit einem Kopfschütteln wegwischte.
    Es war sinnlos. Alle verbliebene Kraft konzentrierte ich auf Mari. Jetzt, wo sie mir nahe war und direkt in meine Augen blickte, hatte ich womöglich Erfolg.
    Kannst du mich hören? Verstehst du mich, Mari?
    Ein hauchfeines Nicken. Beim Salz der See, Raer behielt recht. Sie war uns ähnlicher, als ich für möglich gehalten hatte. Ich erlaubte mir zaghafte Hoffnung.
    Sobald du frei bist, spring ins Wasser. Die Wale bringen dich nach Hause. Raer ist es, vor dem du dich vorsehen musst. Er hat mein Fell gestohlen und ist auf dem Weg zu dir, um dich zu einer Verwandlung zu zwingen. Mari, wenn du das überlebst, wirst du für den Rest des Lebens ihm gehören. Er wird deine Seele nehmen und deinen Willen kontrollieren. Deswegen erzählte er dir Lügen, um uns auseinanderzubringen. Hör ihm nicht zu, wenn er noch einmal mit dir reden sollte. Du weißt, dass wir menschliche Gefühle beeinflussen können.
    Sie schüttelte den Kopf und schluchzte. Ihr Körper verkrampfte sich in ohnmächtiger Wut.
    Spring ins Wasser!, befahl ich ihr. Zögere nicht. Versprich mir das, Mari . Sobald die Wale dich an Land gebracht haben, laufe nach Hause. Kommt Raer zu euch, schießt auf ihn. Er ist stark. Einen Kampf mit ihm würde dein Vater niemals überleben .
    Mari nickte kaum merklich. Jede Unschuld war aus ihren Augen verschwunden und von bitterer Erkenntnis ersetzt worden.
    „Was sagst du?“, brachte sich Ruth in Erinnerung. „Wir haben nicht ewig Zeit. Komm hoch, oder sie bekommt das Messer zu spüren. Und wenn du noch mal versuchen solltest, mich zu beeinflussen, präsentiere ich dir ihre Zunge auf einem Silbertablett.“
    „Ich werde es tun, sobald sie frei ist“, rief ich zurück. „Binde sie los, und du hast mein Wort, dass ich mit euch komme.“
    „Ich gebe nichts auf dein Wort.“
    Eine schnelle Bewegung, ein erschrockenes Keuchen.
    Blut floss Maris Hals hinab.
    Diese elende Menschenfrau war zu allem bereit, und sie nahm das Messer nicht von Maris Kehle. „Komm auf das Schiff. Oder ich bereite ihr echte Schmerzen.“
    Aaron lehnte an der Tür zur Kajüte und wand sich wie ein Fisch im Netz. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Seine Gegenwehr erschöpfte sich in hilflosen Blicken.
    „Komm endlich hoch, oder ich filetiere deine Kleine wie einen Kabeljau.“
    Meine Gedanken arbeiteten. Ruth würde nicht nachgeben. Eher machte sie ihre Drohung wahr und fügte Mari noch mehr Schmerzen zu. Hier und jetzt blieb mir keine Wahl. Sie durfte nicht wegen mir leiden. Ich hatte lange genug gelebt. In der anderen Welt wartete meine Familie auf mich und würde mich willkommen heißen. Für Mari hingegen fing das Leben erst an.
    Ich glitt vom Rücken des Orcas, schwamm zum Heck des Kutters und kletterte die rostige Leiter hinauf. Als Aaron mich packte, schrie mein Instinkt danach, sich zu wehren. Doch ich zwang ihn nieder und hoffte darauf, dass ein Fünkchen Mitgefühl in Ruth überlebt hatte.
    „Tut mir leid“, hörte ich Aaron kaum hörbar flüstern, als er mir die Handgelenke mit einem Seil zusammenband. „Aber ich kann nichts für dich tun.“
    Mari musste am Leben bleiben. Alles andere war gleichgültig. Wäre nicht das Messer an ihrer Kehle gewesen, bereit, jeden Augenblick in ihre Haut zu schneiden, hätte ich Ruth für all das bitter bezahlen lassen. Doch dieser Moment würde kommen. Wenn nicht jetzt, dann bald. Früher oder später verloren Menschen auf dem Weg zum Ruhm immer den Verstand.
    Und wie willst du dich rächen ?, höhnte eine Stimme in mir. Du bist ja jetzt schon viel zu schwach. Dein Fell ist weg. Nichts wird passieren, außer dass du langsam dahinsiechst und stirbst. Mit jedem Atemzug ein wenig mehr.
    „Lass sie frei.“ Meine Stimme klang, als rede ich im Schlaf. „Ihr habt, was ihr wollt.“
    „Verpass ihm eine!“ Ruth nickte zum Gewehr hinüber. „Mir ist es lieber, wenn er außer Gefecht gesetzt ist.“
    Aaron nahm die Waffe, trat einige Schritte zurück und zielte auf mich. Jeder Atemzug erschien mir wie eine Ewigkeit. Dann ertönte ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem Stich in meine rechte Schulter. Ein kleiner, rot befiederter Pfeil steckte in meinem Fleisch. Etwas Heißes sickerte von dem Ding aus in mein Blut, vernebelte meinen Blick und machte meine Gedanken müde und schwer. Ein siegessicheres Lächeln trat auf Ruths Lippen.
    „Das war’s, Kleine.“ Sie zerschnitt Maris Fesseln,

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