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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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unerreicht.
    Es musste an diesen gehirnvernebelnden, flimmernden Dingern liegen, in die sie Tag für Tag starrten. Stundenlang. Ich hatte selbst gespürt, wie dieses Zeug jeden klaren Gedankenfluss in zähen Schlamm verwandelte.
    Die Köpfe der Menschen waren so vollgestopft mit buntem, lautem Tand, dass sie die Botschaften der Natur nicht mehr hörten.
    Es war zwecklos.
    Ich schwamm weiter, bis meine Muskeln ein einziger Schmerz waren und ich glaubte, ein Gewicht aus Blei hinge an meinem Körper. Längst war die Silhouette der Insel in der Ferne verschwunden. Und als ich die Rückenflossen der Wale am Horizont erkennen konnte, das Wasser zerschneidend wie schwarze Schwerter, spürte ich es.
    Todesangst. Panik. Maris unverwechselbare Nähe.
    Sie war hier draußen, auf hoher See. Wie war das möglich? War Raer so schnell bei ihr gewesen und hatte sie hier hinausgebracht? Befand sie sich auf MacMuffins Kutter?
    Endlich waren die Wale bei mir. Ich zog mich auf den Rücken der Leitkuh, und kaum saß ich oben, strebte sie auch schon vorwärts. Unter Wasser wären wir schneller gewesen, doch dieser Körper besaß weder genug Kraft, sich festzuhalten, noch würde ich mit der üblichen Ausdauer die Luft anhalten können. Ich fühlte mich ebenso ausgeliefert und hilflos wie ein gewöhnlicher Mensch, den man ins Meer warf. Ein Fremdkörper in einer Welt, die meine Heimat war und sich doch plötzlich gegen mich wendete.
    Maris Panik durchdrang den Schleier der Erschöpfung. Sie litt Schmerzen und unaussprechliche Angst. Wahrscheinlich war sie mit MacMuffin hinausgefahren, um mich zu suchen, und Raer hatte die beiden abgefangen.
    In meinem Geist entstanden Schreckensszenarien. Eines schlimmer als das andere. Ich flehte die Walkuh an, schneller zu schwimmen, und als sie gehorchte, schäumte die Gischt der Wellen nur so um meinen Körper. Mit aller Kraft hielt ich mich fest, befahl meinen streikenden Muskeln, durchzuhalten. Maris Schmerz brannte in meiner Seele wie die Nesseln einer Giftqualle. Ich würde zu spät kommen. Unmöglich, dass sie die Verwandlung überlebte.
    Endlich tauchte ein Schiff vor uns auf. MacMuffins Kutter, unverwechselbar mit seiner abblätternden, grünen Farbe. Während das Orcaweibchen direkt darauf zuhielt, tauchten ihr Gefährte und die jungen Wale ab, um sich dem Kutter von unten zu nähern. Sie waren entschlossen, den Menschen einen gehörigen Schrecken einzujagen, doch ich hielt sie mit einem scharfen Befehl zurück.
    Raer war nirgendwo zu sehen. Stattdessen war eine Frau der Grund für Maris Angst. Ruth!
    Ich sah ihr weißblondes Haar in der Ferne leuchten. Ich sah das Messer am Hals des Mädchens, das ich entgegen aller Vernunft noch immer liebte, und spürte hinter der bitter schmeckenden Panik eine Entschlossenheit, die mir eines klar machte: Ruth war jedes Mittel recht, um ihr Ziel zu erreichen.
    Die Walkuh drehte bei, um längsseits des Schiffs im Abstand von wenigen Metern zu verharren. Maris verzweifelter Blick traf mich wie ein Schlag in den Magen. Ihre Hände waren an eine Eisenstange der Reling gefesselt, so fest, dass die Haut sich blau verfärbt hatte. Dunkle Ränder betonten das klare Grün ihrer Augen.
    „Beeindruckend.“ Ruth beugte sich über das Geländer. Ihr Blick war scharf wie eine Harpune. „Wirklich sehr beeindruckend. Sprichst du mit ihnen?“
    Ich gab keine Antwort, sah nur Maris rot geweinte Augen. Ein verzweifeltes Flehen um Vergebung lag darin. Dieses Mädchen wollte, dass ich ihr verzieh? Nein, sie hatte keine Schuld auf sich geladen. Meine Schwäche war es gewesen, die uns hierhergebracht hatte. Meine Unfähigkeit, den Lauf der Dinge hinzunehmen. Dass sie mich verurteilte für das, was ich getan hatte und was ich tun konnte, lag in ihrer Natur.
    Selkies waren Feinde der Menschen.
    Und Menschen waren die Feinde der Selkies.
    „Komm auf das Schiff“, schrie Ruth. „An ihr sind wir nicht interessiert. Sie kann gehen, sobald wir im Hafen sind. Weigerst du dich, werde ich nicht zögern, ihr weh zu tun. Also, was sagst du?“
    Ich nahm alle Konzentration zusammen und suchte mein Glück in einer verzweifelten Tat. Vielleicht konnte ich trotz meiner Erschöpfung in Ruths Geist vordringen und sie dazu bringen, Mari gehen zu lassen.
    Es war, als versuche ich, einen unbezwingbaren Strudel mit gefesselten Armen zu durchschwimmen. Ihr Wahn bildete eine Barriere, die ich nicht einmal im Vollbesitz meiner Kräfte hätte durchdringen können. Alles, was ich in ihr auslöste, war

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