Sturmherz
versammelt. Sie rauchten, tranken Kaffee und palaverten an den Eichenholztischen, bedachten mich mit desinteressierten Blicken oder nickten mir mit bärbeißiger Freundlichkeit zu.
An einem der vorderen Tische hockte MacMuffin. Allein. Der Grund für die Abneigung seiner Kollegen stand direkt vor ihm. Ein Marmeladenbagel, belegt mit Anchovis. Vermutlich war ich das einzige Wesen weit und breit, dass angesichts dieser Mischung nicht spontan zu würgen begann.
„Hallo Sprotte“, begrüßte mich MacMuffin. „Gut geschlafen?“
„Wunderbar.“ Ich vermied es, seinem Blick zu begegnen. Wie ich den alten Zausel einschätzte, würde er mir an der Nasenspitze ansehen, dass ich den kleinsten Teil der Nacht schlafend verbracht hatte. Sein Starren nahm bereits sondierenden Charakter an, sodass ich hastig gegenlenkte.
„Und? Hält die Glückssträhne an?“
MacMuffin begann zu strahlen. Mir wurde flau im Magen, als er den Anchovis-Marmeladenbagel mit zwei gierigen Happen verschlang. Wie zum Teufel konnte diese Kombination jemandem schmecken?
„Ich sag’s dir“, plapperte er mit vollem Mund, „das ist das tollste Wunder, seit Moses das Meer teilte. Gestern hat’s zwei Stunden gebraucht, bis mein Kutter voll war. Ich hab’s abgeliefert, bin noch mal rausgefahren und … nichts. Keine einzige Sprotte ging mir ins Netz.“
„Werde nicht gierig“, ermahnte ich ihn. „Die Götter des Meeres sind nur dem wohlgesonnen, der ihre Geschenke zu schätzen weiß und nicht nach immer mehr schreit.“
„Hast ja recht“, brummte MacMuffin. „Hast ja recht, Kleine.“
Ich grinste und knüllte die Ärmel meines Pullovers zusammen.
Anna, die blonde, pausbäckige Besitzerin des Ladens, erschien mit einem Becher Kaffee und einem Stück Apfelkuchen samt Sahneklecks, stellte mir beides vor die Nase und schenkte mir ein wissendes Lächeln.
Ob man mir meine Gefühle ansah?
Höchstwahrscheinlich.
Dass sie sich trotzdem schweigend zurückzog und keine Fragen stellte, rechnete ich ihr hoch an.
Draußen wurde der Regen von strahlendem Sonnenschein abgelöst. Zufrieden mit dem Augenblick sah ich auf den Hafen hinunter, genoss meinen Kuchen und nippte an dem Kaffee. Die Kutter, deren Fahrt noch nicht begonnen hatte, rumpelten erwartungsvoll aneinander. Erschöpft schienen jene Schiffe am Pier zu liegen, die ihre nächtliche Aufgabe bereits hinter sich gebracht hatten. Möwen balgten sich kreischend um das, was die Fischer von ihrem Fang übrig ließen.
MacMuffin las seine Zeitung und stieß sporadisch einen Grunzer aus, der wohl seine Missbilligung über die aktuellen Nachrichten zum Ausdruck bringen sollte. Gerade, als ich mich an den letzten Bissen Kuchen machte, ging die Tür des Cafés auf. Zwei Fremde traten ein. Hin und wieder kamen Touristen hierher, doch um solche schien es sich bei diesen Neuankömmlingen nicht zu handeln. Ihre Mienen drückten nicht die entspannte, erwartungsvolle Neugier aus, wie sie für Urlauber typisch war. Viel eher wirkten sie verschlossen und ernst.
Den Mann schätzte ich auf Ende dreißig. Mit seiner braunen Haut und dem schwarzen Haar, das er in einem lockeren Pferdeschwanz trug, strahlte er etwas Exotisches aus, das die Blicke der Fischer ebenso auf sich zog wie die kalte, helle Noblesse seiner weiblichen Begleitung. Beide trugen olivgrüne Cargohosen und schwarze T-Shirts, die in Brusthöhe mit einem Emblem versehen waren. Das Zeichen der University of Inverness, wenn ich mich recht erinnerte. Vor ein paar Wochen hatte ich mir Infomaterial der Universität schicken lassen, nur um es nach kurzer Studie in den Mülleimer zu werfen, wieder einmal darin bekräftigt, meinen Plan bezüglich der Gärtnerei aufrecht zu erhalten.
„Einen schönen guten Morgen. Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Anna glänzte durch mütterlichen, rustikalen Charme, der an den Besuchern wirkungslos abprallte. „Suchen Sie etwas oder jemanden Bestimmtes?“
„Das tun wir.“ Die Frau mit dem weißblonden, schulterlangen Haar ergriff das Wort. Alles an ihr drückte Selbstbewusstsein aus, das scharf an der Grenze zur Arroganz schrammte. Niemals hatte ich so blaue Augen gesehen. Sie leuchteten förmlich aus ihrem Inneren heraus. Eher unangenehm als schön. „Wir brauchen jemanden, der sich in dieser Gegend auskennt. Mein Name ist Dr. Ruth Chapman. Das dort ist mein Kollege Dr. Aaron Welsh.“
Irrte ich mich, oder klang Geringschätzung in ihrer Stimme mit?
Der Mann warf mir einen kurzen Blick zu. Seine Unsicherheit
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