Sturmherz
schon klar. Falls du das noch nicht gemerkt hast, ich bin kein Prinzesschen, das von ihrem Prinzen beschützt werden muss. Außerdem sind Ruth und Aaron in der Nähe.“
„Ich tue, was ich für richtig halte. Aaron glaubt nicht an Selkies. Und Ruth ist sich nicht mehr völlig sicher. Dank des genialen Einfalls deines Vaters.“
Dad wurde rot und räusperte sich, als Louan ihm anerkennend zulächelte. „Hoffen wir’s“, brummte er nur.
„Sie brauchen einen Beweis“, kombinierte ich scharf in Gedanken. „Vorher werden sie nichts aufs Spiel setzen. Einen Menschen zu entführen, brächte sie in Teufels Küche. Und wenn du lange genug so tust, als wärst du ein Mensch, glauben sie an Dads Geschichte und geben auf.“
„Ich hoffe es. Aber jetzt, wo Raer zurück ist, kann ich dich nicht allein lassen. Er ist wahnsinnig, Mari. Er will dir weh tun, und deswegen muss ich ihn töten. All die Jahre hat er seinen Geist vor mir verschlossen, aber das gelingt ihm jetzt nicht mehr. Ich spüre es, wenn er in der Nähe ist.“
„Ihn töten?“ Thomas schluckte schwer. „Das würdest du tun?“
„Wenn er mir keine Wahl lässt.“
Ich kaute auf meiner Unterlippe herum. Wie Louan da hockte, erschöpft, blutig und zerzaust, sah er aus wie ein archaischer Kämpfer nach überstandener Schlacht.
Mein mystischer Beschützer.
Wir ließen uns auf ein gefährliches Spiel ein, und es würde auch dann nicht vorbei sein, wenn Ruth und Aaron die Segel strichen.
„Das Wichtigste ist jetzt“, brummte Dad, „dass du menschlich bleibst. Sie können dir nichts tun, solange sie keinen Beweis haben. Ich würde aber vorsichtshalber nicht allein durch die Gegend laufen. Vor den Augen anderer sind ihnen die Hände gebunden. Wir arbeiten von nun an zusammen, in Ordnung? Du beschützt Mari, und wir beschützen dich. Bleibe bei uns, lebe wie ein gewöhnlicher Junge. Dann werden sie bald glauben, einem Hirngespinst nachgejagt zu sein. Aber sollte ich auch nur das winzigste Gefühl bekommen, dass du meine Tochter manipulierst oder ausnutzt …“
„Dad!“
„… dann ziehe ich dir das Fell über die Ohren und nagele es an die Wand in meinem Keller. Hör zu, Louan. Ich habe das Gefühl, dass du es ehrlich meinst. Ich glaube zu wissen, dass du dich für Mari geopfert hättest. Das rechne ich dir hoch an. Aber hundertprozentig sicher bin ich mir nicht.“
„Ich habe niemals mit euren Gefühlen gespielt“, antwortete Louan mit aufrichtigem, festem Blick. „Niemals!“
Ich presste mich an ihn und vergrub meine Nase in seinem Haar. „Wir lassen nicht zu, dass dir was passiert. Dad kennt einen Anwalt. Im Notfall können wir ihn auf diese Idioten hetzen, wenn es sie wagen, uns zu sehr auf die Pelle zu rücken. Alles wird gut, ich verspreche es dir. Bei uns bist du am sichersten. Wir werden es diesen Mistmaden schon zeigen. Übrigens … euer Kampf war der Wahnsinn.“
Louan schnaufte leise. Meine Seele hätte ich gegeben, um zu erfahren, was er dachte. Eine seltsame Leere lag in seinem Blick, als er auf das Meer hinaussah. Vermutlich hatte ich gerade gelogen.
Alles wird gut.
Wir waren in einer Geschichte gelandet, für die es möglicherweise niemals ein gutes Ende geben konnte – höchstens flüchtige Träume.
„Lass uns nach Hause gehen“, bat ich ihn. „Du musst dich ausruhen.“
„Zuerst muss ich ins Wasser. Sonst komme ich keine drei Schritte weit und dein Vater darf mich huckepack tragen.“
Ich drehte mich ein paar Mal um die eigene Achse. Kein Mensch war zu sehen, kein Kutter, keine übereifrigen Jäger.
„Nur wenn ich zusehen darf.“
„Es ist nicht so, wie du es dir vorstellst. Du könntest es hässlich finden.“
„Ich will es sehen.“
„Und ich auch“, fügte Thomas hinzu. „Nur damit ich sicher sein kann, dass ich nicht verrückt bin.“
„Habt ihr es nicht schon gesehen, als ihr Raer und mich beobachtet habt?“
„Als wir euch entdeckten“, sagte Dad, „wart ihr schon Menschen.“
„Aber es ist … es ist …“ Seine Furcht und Unsicherheit rührten mich zutiefst. „Es ist der letzte Beweis dafür, dass unsere Welten unvereinbar sind. Der Beweis dafür, wie anders ich wirklich bin. Glaubt mir, ihr werdet erschreckt sein.“
„Nichts an dir könnte mich ekeln.“ Ich legte eine Hand auf seine Wange. Jede Stunde, jede Minute die wir zusammen verbringen durften, war kostbar. Denn unser Traum konnte jederzeit enden. „Vertrau mir. Ich will es wirklich.“
„Also gut.“ Louan stand auf, zog
Weitere Kostenlose Bücher