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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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verschneit und so düster, als hätte jemand flüssiges Metall über die Landschaft gegossen. Halb schlafend murmelte Saraide weiter Beschwörungen, aber das Land gehorchte ihrem Willen noch immer nicht.
    Irgendwann in der Endlosigkeit des farblosen Tages strahlte ein grelles bläuliches Licht auf. Saraide blinzelte sich die Schneekörner aus den Augen. Das Licht riss die Formen von Bergen aus dem wabernden Nebel, zitterte eine Weile über allem und schrumpfte dann zurück. Ein tiefes, grollendes Pochen irrte durch die Erde.
    SARAIDE!
    Sie hielt den Atem an. Anetán schien ihr plötzlich so nah, als hätte er eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Sie stemmte sich auf die Beine, trotzte dem Wind und den Schneeböen.
    »Ich bin hier«, sagte sie leise. Und lauter: »Anetán? Bist du das? Wo bist du?«
    Sie blickte von ihrer Anhöhe herab und sah nichts als Schneewolken. Aber das Aufleuchten des merkwürdigen Lichts hatte ihr eine Ahnung davon gegeben, wie die Umgebung aussah. Sie rutschte bergab. Stolpernd machte sie sich auf den Weg durch die Schneemassen.
    »Ich bin hier«, wiederholte sie. »Ich bin hier! Wo bist du?«
    Sie sammelte ihre letzten Kräfte und endlich fand sie die Verbindung zum Land wieder; es schenkte ihr neue Lebensenergie, ließ ihre Schritte leicht über den Schnee gleiten, näher, näher, auf das Licht zu.
    Er kam ihr aus dem tiefen Weiß der Gebirge entgegen. Lichter umwaberten seine Gestalt, den wehenden schwarzen Umhang, der wie eine Rabenfeder durch den Schnee glitt. Saraide blieb unter einer Gletscherhöhle stehen. Er sah sie; sein blasses Gesicht schien zu schmelzen, wurde jung, hoffnungslos jung.
    Ein paar Schritte vor ihr blieb er stehen. Ihr Atem traf sich in der klirrenden Luft, Geister in der um sich greifenden Dämmerung.
    »Ich habe dich gerufen«, sagte er.
    Saraide nickte nur. Er musste nicht weitersprechen. Er hatte ein Totenlicht. Und er hatte das Land verschoben, um sie zu sich zu holen. Aber würde er nun sein Versprechen halten?
    Saraide ballte die Fäuste. Ihr war so kalt, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. Sie oder er. Der Tod stand mit ihnen in der watteweichen Stille.
    »Wo hast du es gefunden?«, flüsterte sie.
    »Die Aljen …«
    Saraide starrte ihn an. Also hatten wohl auch Mercurin und Totumé die Hilfe der Aljen gehabt. Alle, nur sie nicht. Sie war immer die Beste gewesen … aber sie war die Einzige, der sie nicht geholfen hatten.
    Ihre Zähne klapperten jetzt so laut, dass er es hören musste.
    »Wie geht es dir?«
    Sie musste blinzeln, ihn erneut ansehen, um zu verstehen, was er sagte. Diese banale Frage, in diesem Moment – für eine Sekunde war sie überzeugt, dass er den Verstand verloren hatte. Und doch hatten sie ihm ein Totenlicht zugespielt. Und nicht ihr. Wo hatte sie versagt? Wann hatte sie sich jemals unwürdig gemacht?
    »Es geht mir gut«, sagte sie grob. Presste die Lippen aufeinander. Er sollte nicht sehen, wie es ihr ging. Niemand sollte es sehen.
    Anetán streckte zögernd die Hand nach ihr aus, ließ sie wieder sinken. »Es war hier, in einer Höhle. Das … das Totenlicht, meine ich. Es lag dort wie aufgebahrt für … den, der es findet.«
    »Wie sah es aus?«, hörte Saraide sich fragen. Gierig, wütend, beschämt klang sie in ihren eigenen Ohren. Anetán schien es gar nicht zu registrieren.
    »Es hat geleuchtet, Saraide. Es war so hell! So schön … sobald ich es berührt habe, da ist es …« Er schluckte. Sein Blick glitt über sie. Saraide versuchte sich vorzustellen, wie sie gerade aussah – erschöpft, übermüdet, ausgezehrt, mit wirrem Haar, ausgetrockneten Lippen und roten Augen. Aber Anetán nahm sie anders wahr. Er sah sie, wie sie einst in Hellesdîm vor ihm gestanden hatte, unter den blühenden Apfelbäumen, süß und frisch wie der Sommerabend. Glücklich lächelte er sie an.
    Dummkopf, Dummkopf, fauchte eine Stimme in ihr. Sie biss die Zähne zusammen, so fest sie konnte, damit sie nicht mehr klapperten.
    »Also hast du das Totenlicht jetzt«, stellte sie fest.
    Er zuckte kaum merklich zusammen. Er brachte nicht einmal eine Antwort hervor. Saraide registrierte, wie er die Fäuste ballte. Das Herz hämmerte ihr gegen den Hals. Er konnte sie töten. Jetzt. Jetzt wäre es ganz leicht für ihn. Seine Konkurrentin, jetzt oder nie. Er oder sie.
    Saraide kam auf ihn zu; er regte sich nicht. Mit einem Wimmern fiel sie ihm in die Arme. Klammerte sich an ihm, an seinem vertrauten Körper, fest und – es war schön, dachte sie,

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