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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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bedeckt. Seine Lippen waren dunkelblau, als wäre er schon vor langer Zeit erfroren. Saraide fiel auf die Knie und griff nach seiner Kehle. Er war starr und eiskalt. Kein Puls.
    Saraide wartete. Gleich würde sie dasselbe heiße Rieseln erfüllen wie vorhin, als sich das Totenlicht aus Anetáns Körper in ihren übertragen hatte. Doch nichts geschah. Saraide verstärkte ihren Griff um seine Kehle. Er war tot, zweifellos. Sie hatte ihn umgebracht, sie hatte die Lawine doch ausgelöst! War ihr ein Fehler unterlaufen? Hätte sie ihn erstechen müssen? Aber sie hatte ihren Dolch zurückgelassen; wie hätte sie ihn denn aus Anetáns Körper ziehen können … Der Ise leuchtete noch immer, wenn auch nur schwach. Aber das Totenlicht konnte nicht mehr in ihm sein! Wenn es nicht mehr in ihm war und auch nicht in ihr, wo war es dann? Sie begann den Schnee umzugraben. Sie hielt inne und horchte in sich hinein. Es war in der Nähe. Sie spürte den doppelten Herzschlag, als läge jemand neben ihr. Aber wo? Wo war es?
    Saraide presste beide Hände um den starren Hals des Isen und würgte ihn, so fest sie konnte. Minuten verstrichen. Als Saraide erschöpft losließ, hinterließen ihre Finger Dellen in seinem Fleisch.
    »Du bist tot!«, rief Saraide schrill. »Gib mir das Totenlicht! Es gehört mir, es steht mir zu!« Sie ballte hilflos die Fäuste, als könnte sie ihm jetzt noch drohen. Wieder begann sie den Schnee umzugraben. Keuchend besann sie sich auf ihre neuen Kräfte und ließ das Totenlicht wirken: Der Schnee stob in Wirbelstürmen davon, legte den Isen mit seinem Schwert frei und schuf eine Schlucht zwischen den Eisklippen. Nichts. Kein Totenlicht. Nur ein diffuses Leuchten, das den Isen umgab.
    Wieder horchte Saraide in sich hinein und da war ganz deutlich die Anwesenheit der anderen Totenlichter … erschrocken sprang sie auf. Nicht nur ein Totenlicht! Mehrere.
    Mercurin. Sie spürte seine Nähe, er kam mit weiten Schritten auf sie zu. Sie fühlte seinen Blick in sich aufstrahlen, für den Bruchteil einer Sekunde nur, wie eine verglühende Sternschnuppe. War der Ise nur eine Falle, die Mercurin ihr gestellt hatte?
    Saraide lauschte. Feen rauschten aus der sterbenden Nacht auf sie zu. Irgendwo hinter den Schneewirbeln, die sie heraufbeschworen hatte.
    »Mercurin!«, schrie sie. Ihre Stimme hallte aus den Grotten und Schluchten wider. »Mercurin! Zeig dich! Ich bin hier! Zeig dich!« Wankend stolperte sie bergab. »Mercurin!« Sie atmete schwer. Er musste sie nicht finden – sie erwartete ihn. »Komm aus deinem Hinterhalt! MERCURIN!«
    Lichter funkelten durch das Schneegewölk. Saraide blieb stehen.
    Eine Gestalt landete knapp einen Steinwurf von ihr entfernt auf einem Gletscher, der zu langen Eiszapfen gefroren war. Die Feen, die sie hergetragen hatten, lösten sich auf, wurden wieder eins mit dem Leben des Landes.
    Saraide blinzelte. Enormes Licht umstrahlte die Gestalt. Aber sie war kleiner, viel kleiner als Mercurin, und trug andere Kleider. Saraide erkannte sie. Aber für Verblüffung blieb keine Zeit. Tatsache war, dass das einäugige Mädchen ein Totenlicht trug.
    Saraide stolperte zurück, rannte und rutschte über das Eis, bis sie wieder bei dem Leichnam des Isen war. Fiebrig löste sie das leuchtende Säbelschwert aus seiner Faust. Noch einmal würde sie nicht denselben Fehler begehen – das Mädchen würde sie eigenhändig erschlagen, um ihr Totenlicht zu bekommen.
    Als sie das Schwert endlich aus der Hand des Isen befreit hatte, fuhr sie herum. Das Mädchen stand noch immer auf dem Gletscher. Saraide packte den Schwertgriff, der sich ungewöhnlich heiß anfühlte. Dann nahm sie Anlauf, rannte den Hang hinab, rief die Kräfte des Totenlichts an und flog auf das Mädchen zu.

Entscheidung
    S chon von Weitem hatte Hel das Strahlen gesehen, das zwischen den weißen Hängen aufblühte und wieder erlosch. Je näher sie den Bergen gekommen war, umso deutlicher hatte sie die Totenlichter gespürt – nicht nur das verborgene silbrige Wummern von Karats Gegenwart, sondern auch Saraides aufgewühlten Geist. Fetzen ihrer Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen erreichten Hel wie ein unfertiges Mosaik: Da war ein ermordeter Junge, den Saraide ihren Bruder nannte – für einen schockierenden Augenblick glaubte Hel, sie meinte Mercurin, aber dann sah sie die reglose Gestalt im Schnee und wusste, dass es ein anderer war. Danach begann Saraide, Karat zu suchen.
    Hel war so schnell geflogen, wie die Feen sie tragen konnten.

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