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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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schön, ihn zu umarmen. Ihre Hand legte sich um seinen Nacken. Sie spürte seinen Atem, warm und zittrig.
    »Ich wollte es dir geben.« Er stockte. Saraide fühlte Panik durch ihr Blut rauschen. »Ich wollte es mitnehmen, aber sobald ich es berührte –«
    »Dann töte mich«, stammelte sie schrill, »tu es doch, du Feigling!«
    Sie fühlte seine Hände auf dem Rücken. Er presste sie an sich. »Ich liebe dich.«
    Sie wimmerte unkontrolliert. Beide klammerten sie sich aneinander, während der Wind sie in wirbelnde Schneewolken hüllte und der Rest des fahlen Tageslichts schwand. Die Welt schrumpfte auf einen kleinen, blauschimmernden Raum der Kälte.
    Er musste spüren, dass sie eine Hand von ihm löste. Doch er hielt sie weiter, bewegte sich nicht. Noch immer fühlte sie seinen Atem auf der Haut, ganz ruhig. Eine Ewigkeit musste sie in ihrem Umhang suchen, und als sie vor Angst und Wut schluchzte, drückte er sie nur fester an sich.
    Und dann zögerte sie. Es wäre nur eine kleine Bewegung. Ein kurzer Stoß. Wie oft hatte sie sich diesen Moment vorgestellt, sich darauf vorbereitet, sich fest vorgenommen, es zu tun – und jetzt zögerte sie. Vor Hilflosigkeit fielen ihr Tränen aus den Augen. Aber sie durfte nicht – es durfte nicht sein! Sie schloss die Augen, biss die Zähne zusammen.
    Es war wirklich nur eine kleine Bewegung. Keine körperliche Anstrengung. Ganz einfach. Ihr wurde schlagartig übel, als sie fühlte, wie ihr Dolch sich durch den Widerstand von Kleidung, Haut und Fleisch grub.
    Er zuckte nur leicht zusammen, aber er ließ sie nicht los. Saraide zitterte mehr als er. Sie zwang sich, aufzublicken.
    Er hielt die Augen geschlossen, als wäre er gar nicht da. Als träumte er konzentriert von etwas. Saraide wagte nicht, den Dolch loszulassen. Am liebsten wäre sie vor ihm weggestolpert, weggerannt – aber seine Umarmung war wie eine Klammer, aus der sie nicht freikam. Warme Flüssigkeit kroch über ihre Finger. Endlose Minuten standen sie so umschlungen da.
    Dann begann Licht aus ihm zu dringen. Langsam tastete es sich aus ihm hervor, Strahl für Strahl, wie eine blasse Sonne durch Wolkendecken. Saraide hielt den Atem an. Sie spürte, wie eine rieselnde Hitze durch ihren Arm stieg und sich in ihrer Brust einnistete. Das Licht tauchte sie für Augenblicke in unwirklichen Glanz. Dann ebbte es ab, zog sich in Saraide zurück und ließ Anetán erlöschen.
    Seine Arme wurden schwer. Saraide fühlte sein Gewicht auf ihre Schultern drücken, bis sie nicht mehr aufrecht stehen bleiben konnte. Er sackte in sich zusammen und zog sie mit auf die Knie. Endlich gelang es ihr, das Ächzen auszustoßen, das so lange in ihrer Kehle gesteckt hatte.
    Dunkelrotes Blut fraß sich in den Schnee. Anetán schien durchsichtig zu werden; bläuliche Blässe durchstieg ihn. Fast glaubte Saraide, er würde sich auflösen.
    Sie legte eine Hand auf seine Wange. Er löste sich nicht auf. Er war wie aus Eis gehauen, so starr. Seine Augen waren bis zuletzt geschlossen geblieben.
    »Ich liebe dich auch«, stammelte sie. Dann starb ihre Stimme. Das Wimmern wurde immer lauter, wurde zu einem Schluchzen, das dem Windheulen mehr ähnelte als einem menschlichen Klang.
    Kaskaden aus Bildern und Stimmen stürzten auf Saraide ein. Das Totenlicht durchflutete sie wie ein neuer Sinn; als wäre sie davor taub, blind und lahm gewesen, nahm sie plötzlich die Welt aus allen Dimensionen wahr. Sie spürte das Leben in der Erde und sah die Lichter im frühen Nachthimmel, und sie hörte die anderen Totenlichter.
    Zitternd stand sie auf. Ihre eigenen Gefühle, Anetáns Tod und das heulende Flüstern, das ihr Grauen umweht zu haben schien – du hast ihn geliebt, hast du ihn geliebt? Du hast ihn getötet! Nur Worte, nichts als falsche Schwüre, aber er, er hat dich geliebt!  – alles versank unter der Flut der neuen Eindrücke.
    Karat war in der Nähe. Sie fühlte seine gewichtlosen Schritte, die im Schnee nicht versanken, als wären es ihre eigenen. In seinen Gedanken herrschte vollkommene Stille, nur ein feines, metallenes Sirren; sein Körper war hier, aber sein Geist war erloschen. Das Totenlicht befand sich in einem Teil von ihm, der losgelöst war von jeglichem Bewusstsein.
    Und Mercurin. Auch seine Nähe spürte Saraide wie einen Schatten, der ihr im Nacken klebte – doch ihr Bruder verbarg sich, er hatte seine Gedanken hinter eisernen Wänden verschlossen. Er war klug. Er wusste, dass sie ihn jetzt hören konnte, und lauschte

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