Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
Saraide also auch noch herausgefunden, wie man einen Angriff aufsog und sich die Kraft zunutze machte. Aber auch Hel lernte dazu.
Sie richtete ihre Energie auf die Eiszapfen, die über Saraide hingen. Das Eis zersprang. Die mannslangen Zapfen stürzten nieder und explodierten in Abertausend Splitter. Saraide brach kreischend zusammen, rutschte ab, hielt sich nur noch mit den Armen am Rand des Plateaus fest. Blutspuren zogen sich durch den Schnee.
Hel kam aus ihrer Deckung und näherte sich langsam. Ohne das Schwert loszulassen, versuchte Saraide wieder auf das Plateau zu klettern, doch immer wieder rutschten ihre Arme ab. Sie keuchte. Blut strömte über ihr verzerrtes Gesicht. Als sie Hel auf sich zukommen sah, ließ sie los und stürzte in die Tiefe.
Hel rannte an den Abgrund und starrte hinunter. Er war nicht sehr tief, vielleicht sechs oder sieben Meter. Nicht tödlich für eine Dämonin. Eine Wolke aus Schnee und Eisscherben verbarg Saraides Fall. Einen Moment lang stand Hel zitternd und unentschlossen in den blutigen Splittern. Wie könnte ich den Wert eines Menschenlebens gegen ein anderes abwägen? Das hatte sie gesagt, daran glaubte sie – und doch stand sie hier, hatte versucht, Saraide zu töten. Und würde es weiter versuchen, bis es ihr gelang. Für Nova. Damit er weiterleben konnte, mit Saraides Totenlicht.
Mit aller Macht versuchte Hel, diesen Gedanken wegzuwischen, zu leugnen. Sie tat es nicht nur für Nova – sie tat es, um die Dämonen aufzuhalten, um zu verhindern, dass Saraide das Tiefe Licht beschwor! Saraide musste nicht für Nova sterben. Sondern für alle Menschen, Isen, Zwerge, Tiere und Geisterwesen der Erde, für alle Lebewesen.
Und überhaupt – es war keine Zeit, jetzt nachzudenken. Wie um ihrem nagenden Gewissen zu entfliehen, sprang Hel hinab. Sie landete weich auf dem Boden, umhüllt und getragen von Liriumwolken.
Saraide lag halb begraben im Schnee, aber sie bewegte sich noch. Das isische Schwert war hinter ihr gelandet, außerhalb ihrer Reichweite. Ächzend hob sie den Kopf. Sie blutete aus dem Mund. Hel öffnete die Hände, um zum letzten Angriff auszuholen.
Doch sie zitterte am ganzen Leib. Saraides pechschwarze Augen funkelten sie durch Schleier von Hass und Schmerz hindurch an. Ihr Blick fraß sich in Hel, brennender als jede magische Attacke es vermocht hätte. Hel konnte sich nicht regen. Sie konnte niemanden töten, der auf dem Boden lag und sie anstarrte.
Saraide röchelte. Erst glaubte Hel, sie würde ersticken – dann, dass sie etwas sagen wollte. Wie gelähmt wartete Hel darauf, ihr zuzuhören. Irgendetwas zu hören, das es ihr unmöglich machte, sie umzubringen.
Doch Saraide sprach nicht; sie lachte. Es war ein stotterndes, erschöpftes, rasselndes Lachen. Hel begriff nicht. Eine Gänsehaut zog über ihren ganzen Körper. Wieso lachte sie? Hel hätte die Frage am liebsten geschrien, doch sie bekam den Mund nicht auf.
Bebend schob Saraide ihre Hände durch den Schnee. Langsam begann Licht aus der Umgebung zu ihr zu fließen. Mit einem Ruck ballte sie die Fäuste – Hel spürte es in sich, als würde Saraide ihr Herz packen.
Schlagartig fiel sie auf die Knie. Alle Kraft strömte aus ihr heraus. Entsetzt starrte sie an sich herab, erwartete fast, dass sie am Verbluten war – doch nicht Blut strömte aus ihr hervor, sondern Licht. All das Licht ihres Lebens.
Saraide richtete sich auf, noch immer atemlos lachend. Sie hatte verstanden, dass es klüger war, den Träger eines Totenlichts seiner Liriumquellen zu berauben statt ihn damit anzugreifen. Wieso hatte Hel nicht früher daran gedacht? Ihre Attacken waren instinktiv gewesen, abwehrend – nicht genügend durchdacht. Saraide aber war ihr ganzes Leben darauf vorbereitet worden, mit den Totenlichtern umzugehen. Und allmählich gewöhnte sie sich an ihre neue Macht.
Hel versuchte das Licht in sich zu halten. Das Lirium aus der Umgebung aufzunehmen. So, wie sie Hunger und Durst und Müdigkeit stillte. Aber es reichte nicht, um den Strom auszugleichen, den Saraide ihr entzog.
Während Hels Licht schwand, begann Saraide zu glühen. Auf der zweiten Sicht umgab sie ein so kräftiges Flimmern, dass alles ringsum in Dunkelheit zu ertrinken schien. Verzweifelt rief Hel das Licht zu sich. Nur ein paar Funken lösten sich aus Saraides Aura und strudelten zu ihr. Wie machte sie das? Wieso konnte Saraide ihr Licht halten?
Bleierne Kraftlosigkeit durchdrang ihre Glieder, ihre Arme und Beine und ihren Kopf. Jeder
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