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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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New York zu ziehen.«
    Samantha sah die Frau erstaunt an. »Sie sind vor kurzem erst hierher gezogen? Woher kommen sie denn?«
    »Aus Philadelphia. Das war ein Leben, sag’ ich Ihnen. Sie hatten ein vornehmes Haus am Rittenhouse Square und verkehrten nur in der besten Gesellschaft. Immer gab es Gesellschaften und Tanzabende, niemals eine ruhige Minute. Sie können sich ja nicht vorstellen, wie lebenslustig und sprühend Mrs. Masefield war. Und Dr. Masefield war einer der prominentesten Ärzte in der Stadt. Er lehrte an der Universität, und seine Patienten kamen nur aus den ersten Kreisen. Ach, war das ein Leben.« Wieder seufzte Mrs. Wiggen voller Bekümmerung.
    »Aber warum sind sie denn weggegangen?«
    Das Gesicht der Haushälterin verdunkelte sich, und sie senkte die Stimme. »Das ist was Komisches mit der Leukämie, Miss Hargrave. Die Leute haben Angst vor der Krankheit, ich kann überhaupt nicht verstehen, warum. Manche glauben wahrscheinlich, sie wäre ansteckend. Es dauerte gar nicht lang, da blieben die Freunde aus. Immer hatten sie eine andere Entschuldigung. Und da Mrs. Masefield so leicht ermüdete und {120} für Entzündungen so anfällig war, war sie ans Haus gefesselt. Ich sag’ Ihnen, das war, wie wenn man einen wilden Vogel in einen Käfig steckt. Sie wurde immer blasser und immer schmäler, sie welkte richtig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Der arme Dr. Masefield war außer sich. Oft hab ich ihn nachts weinen hören –«
    Mrs. Wiggen schien sich plötzlich bewußt zu werden, daß sie klatschte, und brach ab. »Aber das ist jetzt alles vorbei«, sagte sie hastig. »Und wenn er’s Ihnen nicht selber erzählt hat, steht’s mir nicht zu, mit Ihnen darüber zu reden.«
    »Aber Sie können mir doch mehr über die Krankheit sagen«, drängte Samantha vorsichtig. »Damit ich sie richtig versorgen kann.«
    »Ich weiß nur das, was Dr. Masefield mir gesagt hat und was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Es gibt Tage, da ist sie plötzlich wieder so frisch und munter wie früher, dann will sie ausfahren oder sonst was unternehmen, und ein paar Tage später kommt der Zusammenbruch.«
    »Wie ist die Prognose?« fragte Samantha. »Wird sie wieder gesund werden?«
    Mrs. Wiggen senkte den Kopf. »Nein, sie wird nie wieder gesund. Das ist ja das Furchtbare. Es wird immer nur schlimmer werden. Ist das nicht eine entsetzliche Zukunft für so ein junges Paar? Auf Kinder können sie jetzt natürlich nicht mehr hoffen.« Die Haushälterin hob den Kopf. Sie weinte. »Darum hat er sie ja hierher gebracht, Miss Hargrave. Zum Sterben.«
    »Aber wieso denn?« fragte Samantha verständnislos.
    »Weil er es nicht ertragen konnte, daß ihre Freunde zwar in der Nähe waren, aber sich nicht mehr sehen ließen. Ich hörte einmal, wie er praktisch bettelte –« Mrs. Wiggen zog ihr Taschentuch heraus und schneuzte sich. »Er wollte seiner Frau die bittere Erfahrung ersparen, daß alle ihre Freunde sie im Stich ließen. Deshalb erfand er einen Grund für den Umzug. Er behauptete, er müßte aus beruflichen Gründen hierher. Sie weiß die Wahrheit nicht.«
    »Aber es werden doch nicht alle sie im Stich gelassen haben!«
    »Nein, ein paar junge Damen besuchten sie weiter, aber die waren hinter dem Doktor her. Die sagten sich, er wird bald Witwer sein –« Wieder brach Mrs. Wiggen schuldbewußt ab. »Sie sollten jetzt mal wieder die Temperatur messen.«
    Er kam kurz vor Morgengrauen nach Hause. Nachdem er nach seiner Frau gesehen und festgestellt hatte, daß das Fieber gefallen war, und sie so friedlich schlief wie Mrs. Wiggen in ihrem Sessel, ging er in sein Arbeitszimmer und schenkte sich einen Brandy ein. Samantha folgte ihm.
    {121} »Sie hat eine ruhige Nacht gehabt, Dr. Masefield«, sagte sie und kroch fröstelnd etwas tiefer in ihr Schultertuch.
    »Ich danke Ihnen.«
    »Bitte sagen Sie mir etwas mehr über die Krankheit Ihrer Frau, Dr. Masefield«, sagte Samantha leise.
    Er spülte den Brandy hinunter und schenkte sich einen zweiten ein. Er sah sie nicht an, als er sagte: »Man hält die Leukämie für eine Art von Krebs. Die Ursache ist unbekannt. Jeder kann die Krankheit bekommen. Manche sterben innerhalb von Tagen, manchmal kommt der Tod erst nach Monaten oder Jahren. Die Symptome sind: Körperliche Schwäche, Anämie und Blutstürze. An Komplikationen treten im allgemeinen Lungenentzündung und Tumore auf. Eine Heilung gibt es nicht. Die Krankheit endet immer mit dem Tod.«
    »Es tut mir so leid«, flüsterte

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