Sturmkaempfer
allzu bald zurückkehren, und andere würden das besetzte Revier nicht betreten.
Ein erstickter Schrei klang aus dem Hauptgebäude, als der Besitzer die Unruhe davor bemerkte. Ein schwaches Licht flackerte im Fenster über ihm und dann erschien ein rundes Männergesicht darin, und die zahlreichen Kinne bebten vor Ärger hin und her. Eine Frau schrie im Hintergrund.
»Was in Bahls Namen geht da draußen vor sich?« Der Mann blinzelte den Schlaf aus den Augen und starrte zur Straße hinunter, mit einer Kerze in der einen und einem Knüppel in der anderen Hand. »Du, was tust du da? Verschwinde, bevor ich eine Patrouille rufe!«
Der Riese warf die Kapuze seines Umhangs zurück und offenbarte eine blaue Maske darunter. Seine Augen glühten plötzlich, als er den Bogen mit einem Gedanken vom Boden heraufbeschwor. Der Händler keuchte auf und ließ den Knüppel zu Boden fallen, jaulte dann aber auf, als er ihm auf die nackten Zehen krachte.
»Euer Lordschaft, vergebt mir, ich habe Euch nicht erkannt …«
Der Riese brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er war nicht in der Stimmung für ein Gespräch.
»Geh wieder ins Bett. Wenn deine Frau weiter so kreischt, lasse ich ihr von den Geistern die Zunge herausschneiden.«
Lord Bahl, der Graf von Tirah und Herrscher über den Stamm der Farlan, markierte die Wand, damit eine Nachtpatrouille die Leiche später auflesen konnte, und ging weiter. Diese Nacht war etwas Besonderes für ihn. Er wollte nicht, dass die Erinnerung an einen Geburtstag, den andere schon lange vergessen hatten, durch irgendetwas getrübt wurde. Er wollte nur mit der Vergangenheit seiner geliebten Stadt allein sein. Im Freien vergaß er seine Einsamkeit und badete in der Nacht, erinnerte sich an glücklichere Zeiten, bevor er Lord der Farlan geworden war, damals als die Pflicht noch nicht seinen einzigen Lebenszweck dargestellt hatte.
Ein dumpfes Stöhnen entrang sich seinen Lippen; es wurde lauter und stieg in den Nachthimmel auf. »Ich habe nur um eine Sache gebeten, nur um eine«, betete er durch die plötzliche, erstickende Trauer, die ihn erfasste. »Ich war immer treu ergeben, jedoch …« Seine Stimme verlor sich. Die Götter zu verfluchen würde sie nicht zurückbringen; es würde nur der Nation schaden, die nun sein Lebenszweck war. Er stand dort und versuchte diese Gefühle gezielt zu unterdrücken, sie wieder in die hintersten Winkel seines Herzens zu verbannen. Nur in dieser Nacht, dem Tag ihrer Geburt und ihres Todes, erlaubte sich der Lord der Farlan, von ihr zu träumen.
Sein Blick fiel auf den goldenen Turm im Norden. Das halb zerfallene Wahrzeichen schimmerte bei Tageslicht noch immer, aber jetzt war es nur noch wenig mehr als eine dunkle Gegenwart, die Bahl ebensosehr spürte, wie er sie vor dem Nachthimmel sah. In der Nähe des Turmgrundes duckte sich eine Schenke, der einzige Schimmer der Freude im ganzen Viertel. Aus dem Innern konnte Bahl gedämpfte Gespräche hören. Heutzutage war dies ein armes Viertel; die Lagerhäuser und Werkstätten bedeuteten,
dass hier nur wenige Leute lebten. Die Gäste der Schenke waren Arbeiter und Wagenlenker, Männer ohne Zuhause, die der Arbeit hinterherreisten. Sie gehörten immer zu den Ersten, die Neuigkeiten aus der Ferne erfuhren.
Er betrachtete die heruntergekommene, unwürdige Taverne. Sie teilte sich die Rückwand mit einem größeren Haus und lag an einer Kreuzung. Das war eine gute Lage, sogar in diesem schlechten Viertel der Stadt. Auf der Mitte der Kreuzung stand eine Statue, vermutlich nur, weil man gerade dort Platz gefunden hatte. Bahl fragte sich, wer heute wohl noch wüsste, dass die Statue vor ihm ein Monument für Veriole Farlan war, den ersten König ihres Stammes? Und wer scherte sich heute überhaupt noch darum? Die Stadt war vollgestellt mit Statuen von Göttern und Lords und Fratzen, die angeblich böse Geister abhielten. Auch wenn nur wenige Kreaturen – wie die Gargoyle – die Leute unter sich tatsächlich beobachteten, hielt die ernste und uralte Erhabenheit der Stadt die Sagen doch am Leben.
Ein plötzliches Bedürfnis nach Bier und fröhlichen Stimmen trieb Bahl in dieser schrecklichen Nacht zur Schenke, und auf dem Weg veränderte er sein Aussehen. Er spürte die feuchtkalte Nacht auf seinem Haar, als er die enge Seidenmaske abzog. Ein einfacher Zauber schenkte ihm dunkles Haar mit drei von Kupfer zusammengehaltenen Zöpfen. Die Farbe seiner Augen konnte zwar von keinerlei Magie verändert werden,
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