Sturmkaempfer
Punkt zu unterstreichen. »Jeder Mann, der den Frieden erhalten will, wird mir zustimmen, wenn ich sage: Gnädige Götter, schützt uns vor den Religiösen.«
»Und was meint Ihr damit?«
»Ich habe gesehen, wie sich einige, die sich für wirklich religiös ausgeben, verhalten, und ich sage Euch, Lady Tila, keine Kreatur des Dunklen Ortes würde sich aus einem so geringen Anlass gegen die Seinen wenden wie diese Leute. Gläubiges Volk verbrennt oder hängt einen Mann, weil er auf die falsche Weise lächelt.« Kerin lächelte nicht. Er umfasste die Armlehnen und seine Augen funkelten wütend.
Tila versuchte gar nicht erst, ihm den Unterschied zwischen den Fanatikern und den Gläubigen zu erklären. Einige Leute waren einfach nicht daran interessiert, ihn zu sehen. »Nun, wenn die Leute sich so verhalten, so sollte man sich darauf vorbereiten«, sagte sie ruhig. »Wir sollten die Dogmen erkennen können, denen sie folgen.« Sie klopfte auf die offene Seite des Buches. »Lest dies hier und sagt mir, was Ihr davon haltet.«
Sie reichte Kerin das Buch, der die Stirn kraus zog, während er die Textzeilen überflog. Die Prophezeiung, die sie meinte, war vor zweihundert Jahren über einen Stalljungen im Embere gekommen. Niemand, nicht einmal der Gelehrte, der das Buch geschrieben hatte, wusste etwas damit anzufangen. Die Lippen des Schwertmeisters bewegten sich, während er las – Tila sah so etwas oft bei Palastsoldaten, die erst spät eine Ausbildung erhalten hatten – und mit jedem Satz wurde sein Gesicht ernster.
»Also ich verstehe nicht mal die Hälfte davon, aber das ist kein Erlöser, den ich kennenlernen möchte«, knurrte er. »Ein Schatten
erhebt sich aus dem treuen Westen und beginnt seine Zwielicht-Herrschaft unter den Erschlagenen.«
»Beruhigend, nicht wahr?« Tila nahm das Buch wieder entgegen, legte es auf den Tisch neben sich und stand auf. Sofort erhob sich auch Kerin. »Aber es ist besser, den Wahn zu kennen, dem unsere Feinde folgen, als in Unwissenheit zu verweilen.« Sie reichte ihm den Arm und nickte zur Tür. »Kommt. Wenn Ihr glaubt, dass ich schon zu lange hier weile, wollen wir uns lieber etwas Unterhaltung suchen.«
13
Von einem der noch stehenden Türme aus sah er die Verheerung an seinem wunderschönen Heim. Von hier oben aus wirkte die Ruine beinahe prächtig, mit einem Hang zur Dekadenz. Wie Farbe auf einer Leinwand waren große Flächen und Teile der eingestürzten Türme beiläufig von Büschen erobert worden. Er erinnerte sich daran, wie zornig er bei seiner Rückkehr gewesen war – und auch an die missgestalteten Monster, die inmitten der Verwüstung herumgesprungen waren; die mit schweren, vorgeschobenen Kiefern genüsslich genagt und mit gebogenen Zungen aus dem dunklen Blut-und-Dreck-Pfützen gesoffen hatten. Als sie starben, hatten sie in dem Wissen geschrien, dass sie für ihre Verbrechen büßten. Aber es waren so viele gewesen, und als er neben denen gelegen hatte, die ihm lieb waren, zerschlagen und allein, hatten sie sein Blut gekostet.
Ein Name hatte ihn gerettet. Ein einzelnes Wort, das schwer in der Luft hing und sich in die Wunden an seinen sich versteifenden Gliedern fraß. Der schwere Gestank von Verderbnis und Verlust war noch immer da, lange nachdem das Wort seine Angreifer zu grotesken Leichen hatte werden lassen. Er fühlte sich beschmutzt, mit etwas infiziert, für das es keine Heilung gab. Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, dem zu entkommen, nach einer Chance auf Vergebung. Er lief durch
Gänge, in denen Leichen lagen, bis zu einem verrottenden Garten – noch vor Kurzem war dies sein Rückzugsort vor den Schrecken des Lebens gewesen. Jetzt war er tot, zusammen mit den Wesen, die eben noch seine geliebten Haustiere gewesen waren. Einige waren sicher geflohen, aber die meisten lagen als stinkende Haufen da und ihre kleinen Knochen brachen unter seinen Absätzen, als er zu dem klaren, stillen Teich ging. Er blickte hinein und sah seine Spiegelung – und spürte die Verdammnis zupacken, als er erkannte, dass dies nicht sein Spiegelbild war. Das Gesicht schrie und er beantwortete den Schrei mit einem eigenen Schrei, während die Farben zu Schwarz vergingen.
Isak erwachte nach Luft schnappend, in feuchte Laken verwickelt. Die feuchtkalte Berührung des frühen Morgens glitt flüsternd über seine Haut und ein Schauder lief ihm über den Rücken. Die Erinnerung an die Wunden aus dem Traum brannte heiß auf seinem Körper. Es war dunkel
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