Sturmkaempfer
Ausschau hielt, denn er konnte spüren, dass sich ihre Gegenwart suchend ausbreitete. Sie war eine große Frau und seine außerordentlich guten Augen erlaubten ihm, ihr stolzes, stattliches Gesicht zu erkennen. Ihre Haare und Augenbrauen wirkten seltsam dunkel auf der Haut. Die typischen Einwohner Narkangs hatten eine bleiche, sandbraune Hautfarbe, und es wirkte auf Isak, als würden sich die Frauen des
Weißen Zirkels dadurch abheben wollen, dass sie sich ihr Haar in einem dunklen Rotbraun färbten.
Isaks Blick verließ die Herzogin und schweifte zu der Frau hinüber, die hinter ihr saß. Sie war ebenso in einen weißen Schal gekleidet, allerdings so arrangiert, dass er beinahe ihren ganzen Kopf bedeckte. Während Isak neugierig hinüberstarrte, sah die Frau auf und fing seinen Blick auf. Im Schatten ihres Schals konnte er ihr Gesicht kaum erkennen. Isak spürte eher, dass sie lächelte, als dass er es wirklich sah. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Im Lärm der Menge hörte er nur ihren Atem. Über die strahlende Sonne und das Glitzern tausender Spiegelungen hinweg sah er nur die Dunkelheit ihrer Pupillen. Isaks Kopf begann zu schmerzen, als hätte man ihn plötzlich in Eiswasser getaucht.
»Mein Lord?« Tilas Stimme drang durch den Nebel und erschreckte Isak so sehr, dass er sich von dem hypnotisierenden Starren losreißen konnte. Tila legte ihm die Hand auf den Arm, als sie seine Angst bemerkte. Diese Berührung brachte ihn in die Wirklichkeit zurück.
»Es geht mir gut«, sagte er beruhigend zu Tila und wandte sich dann an den König. »Emin, wer ist diese Frau dort drüben?« Der König zeigte nicht, ob er Isaks öffentliche Vertraulichkeit bemerkt hatte. Er folgte Isaks Blick.
»Das ist die Herzogin Forell«, sagte er mit einem fragenden Gesichtsausdruck.
»Nein, ich meinte die Frau hinter ihr, die ihren Kopf noch immer verhüllt hält.«
»Ich bin nicht sicher. Ich denke, ich habe schon alle adligen Frauen des Weißen Zirkels gesehen, also kann sie niemand sein, die so wichtig … es sei denn, das wäre Ostia.«
»Ostia?«
»Ein Name, den ich hörte … nicht mehr, zum Glück. Vielleicht
ist ihr Name auch eine Art Wortspiel darüber, dass sie aus dem Osten stammt, aber das wäre so erkennbar schlecht, dass er eine höhere Bedeutung haben muss. Warum?«
»Sie verdeckt ihr Gesicht beinahe vollständig und sie hat sich nicht gerührt, seit sie angekommen sind. Einige der Frauen sind ausgeschickt worden, um Nachrichten abzuholen oder zu überbringen, vermute ich, und sie alle sind mit Schmuck behangen – darum habe ich angenommen, dass sie Adlige waren. Aber sie, die aussieht wie eine Gemeine, sitzt nur schweigend dort.«
»Eine gute Beobachtung«, sagte der König. »Ist zu erkennen, ob sie eine Magierin ist?«
Isak zuckte die Achseln. »Etwas an ihr ist merkwürdig, das zumindest weiß ich.«
Der König lehnte sich zurück und flüsterte Coran ins Ohr. Der Mann nickte und ging die Reihen hinauf davon, während sich Isak wieder dem kommenden Lanzengang zuwandte, der in Kürze beginnen würde.
Die beiden Ritter passierten einander und grüßten sich mit den Lanzen. Sir Bohvs Visier war oben und er lächelte dem Grafen sogar zu. Vesna zuckte zur Erwiderung mit dem Helm, aber der brüllende Löwe, der ihn schmückte, ließ die Geste nicht freundlich wirken. Als sie die gegenüberliegenden Enden der Strecke erreicht hatten, schloss Sir Bohv sein Visier und beide rissen ihre Pferde herum, um ihnen kräftig die Sporen zu geben. Die Menge hielt den Atem an, bis die beiden Männer aufeinanderstießen, und dann brandete der Jubel in den Rängen auf. Beide Männer trafen. Vesnas Lanze glitt an Bohvs Schild ab, die rote Lanze des Ritters zerbrach an des Grafen Schulterplatte.
Der nächste Durchgang war eindeutiger. Sir Bohv, der mit seiner neuen Lanze grüßte, wurde vom Publikum mit lautem Applaus bedacht. Er trabte herum und fand Vesna in den Steigbügeln stehend, bereit für den nächsten Gang, und beide stürmten los. Der
Held der Farlan hielt sich hoch, bis ihn Sir Bohv beinahe erreicht hatte, dann sank er hinab, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten.
Sir Bohv hatte den Stellungswechsel schon erwartet, es war eine Standardfinte, und dann senkte er die Lanze, um ihn auszugleichen, aber im allerletzten Augenblick warf Vesna sich so weit nach vorne über den Pferdehals, wie er nur konnte, den Schild dabei eng an den Körper gepresst. Die Lanze glitt daran ab und zur Seite, aber Vesnas
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