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Sturmkaempfer

Sturmkaempfer

Titel: Sturmkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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seiner Agenten und ich das volle Ausmaß der Eskapaden eines bestimmten Fürsten kennen, aber da einige der Gezeugten jetzt ins hochzeitsfähige Alter kommen, muss man bei Verhandlungen ein offenes Auge haben.
    Sogar die Herzoge von Perlir und Merlat reisen nach Tirah, um mir ihre Nachkommen vorzuführen. Sie alle erkennen die Notwendigkeit einer solchen Tradition – und heute ist es zu einem Mannbarkeitsritual geworden. Ich vermute jedoch, dass sich Weißaugen weniger um solche Dinge scheren, darum wurde ich gerufen.«
    Er hob den Gegenstand an den Ecken an und balancierte ihn unsicher in der Armbeuge, während er mit dem Schloss kämpfte. Als die Wache ihre Hilfe anbot, warf er ihr einen finsteren Blick zu und versuchte es weiter allein, wobei er darauf achtete, dem Mann keinen Blick auf den verhüllten Gegenstand zu erlauben.

    Er drückte ihn schützend an sich, während sie nebeneinander die Straße entlanggingen. Die Heraldische Bibliothek lag im ältesten Viertel der Stadt und war von hohen, uralten Gebäuden umgeben, in denen die ältesten Familien lebten und die wohlhabenderen Herzoge und Lordprotektoren ihre – heute sehr vernachlässigten  – Hofresidenzen unterhielten.
    Sie kürzten durch das Händlerviertel ab, was sie auf den Jägersritt brachte, der vom Fluss bis zur Palastgasse führte, wo diese ihren sanften Anstieg zum Tirah-Palast begann. Der Tag war feucht und trüb. Für einen Augenblick hatte ein früher Schneeschauer alles in Weiß gehüllt, aber es war zu warm, als dass die Flocken liegen blieben. Viele der unzähligen Statuen, die in den Straßen der Stadt standen, weinten Tränen aus geschmolzenem Schnee – was dem Schlüsselmeister wie ein schlechtes Omen erschien.
    Es war Markttag auf dem Irienn-Platz, der vor ihnen lag. Darum führte die Wache Amanas nach rechts, den Jägersritt herunter, und der Lärm und Eifer des Hafens blieb hinter ihnen zurück. Die Leute hielten respektvoll Abstand, traten beiseite, um sie passieren zu lassen, und eine Frau mit einem Korb voller Aale schenkte Amanas einen mitfühlenden Blick, da sie schon das Schlimmste annahm.
    Alle waren heute unterwegs, gingen ihren zehntausend unterschiedlichen Aufgaben nach, durch die das Leben in der Stadt reibungslos ablief. Ein dicker Mann stapfte auf der anderen Straßenseite schwer an ihnen vorbei. Sowohl die protzige goldene Kette um den Hals des Mannes als auch die Diener, die ihm hinterhereilten, alles wies ihn als erfolgreichen Händler aus.
    Dann entdeckte Amanas einen Rinnenläufer, der über dem Händler an der Kante des ziegelgedeckten Daches entlanglief. Wie all jene, die überirdisch lebten, war er in Lumpen gekleidet und hatte kaum Fleisch auf den Rippen. Sie waren Aasfresser, die
ein Netzwerk von Dächern nutzten, um über der Stadt ungehindert vorwärtszukommen. Viele Leute nutzten sie als den schnellsten Weg, um wichtige Mitteilungen an ihr Ziel zu bringen. Die Dachläufer hatten einen strengen Ehrencodex, der sicherstellte, dass die Bewohner Tirahs sie tolerierten, sogar ein wenig mochten. Es war gut möglich, dass der Händler das Kind heute Morgen angeheuert hatte.
    Amanas und seine Eskorte wurden von den Pikenieren am Tor der Vorburg durchgewunken. Als sie wieder ins Tageslicht traten, zischte Amanas wegen des Drecks, der an seinen Stiefeln kleben blieb, wütend auf. Er bestand darauf, stehen zu bleiben und das Gröbste abzuklopfen, bevor er sich an den Aufstieg die Freitreppe hinauf zur großen Halle machte.
    Schließlich trat er über die Schwelle, kniff die Augen zusammen und für einen Augenblick fühlte er sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Tölpelhaft und zerbrechlich, und dies in einer Welt, in die er nicht gehörte. Er hatte von dieser Szene in den letzten Wochen mehrmals geträumt, und obwohl Träume gewöhnlich nichts bedeuteten, war es bei Träumen von den Erwählten, bevor sie ihre Macht erlangten, etwas anderes: Sie berichteten von den Göttern. Er erinnerte sich an ihren smaragdfarbenen Blick – Augen, die bis in die dunkelsten Tiefen der Seele blickten. Er wusste, dass es nur eine Göttin gab, deren Augen grün waren, und Schicksal war keine geduldige Herrin.
    Der Schlüsselmeister ergriff den Gegenstand fester und trat ein. Jahre waren vergangen, seit Amanas das letzte Mal hergekommen war, und in der Zwischenzeit hatte sich wenig verändert. Es war immer noch ein düsteres und stinkendes Armeedurcheinander, ohne den geringsten Hauch von der Würde, wie man sie sich bei einer

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