Sturmkaempfer
Kräfte sind jedenfalls sehr schwach und genau ausgerichtet. Wenn ich einen Mann berühre, kann ich einen Teil seines Wesens erkennen – und was aus ihm werden wird. Die Interpretation dessen ist natürlich wieder eine ganz andere Sache, und viel hängt vom Zusammenhang ab. Karlat Lomin ist dafür ein gutes Beispiel. Ihr kennt ihn, den Erben Lomin?«
Die Wache nickte. »Natürlich, Herr. Jeder redet davon, dass es seinem Vater, dem Herzog, inzwischen schlechter geht und er nicht durch den Winter kommen wird. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird der Erbe zum viertmächtigsten Mann im Land. Und letzte Woche«, fügte er besorgt hinzu, »hat der Krann den Cousin des Erben Lomin bei einer Waffenübung getötet – hat ihn einfach durchbohrt, Herr.«
»Davon habe ich gehört. Was für ein Unglück! Das Wappen des Erben ist ein knurrender Wolfskopf. Die offensichtlichen Auswirkungen liegen in seiner anerkannten Kampfkraft, aber wenn man sein Familienwappen in Betracht zieht – einen Burgfried –, dann könnte es auch darauf verweisen, wie der Mensch den Wolf sieht: als eine wilde und gewalttätige Kreatur.«
Die Wache trat zurück. »Ich verstehe nichts davon, aber es erscheint mir ratsam, dass Ihr mit Eurer Meinung über den Erben vorsichtig seid. Man müsste verrückt sein, wenn man sich mit ihm anlegen wollte.«
»Oh, ich bin gar nicht wichtig genug, als dass sich das große Haus von Lomin um mich scheren würde. Auf jeden Fall sind meine Dienste dem Adel im Allgemeinen sehr nützlich. Man muss einen Hang zum Prophezeien haben, wenn man tut, was ich tue, und diese Gabe ist so selten, dass sie einen Schutz für mich bedeutet.«
Die Wache machte einen weiteren Schritt rückwärts und ihr
Gesichtsausdruck bewies, dass sie Amanas jetzt wirklich für verrückt hielt.
»Ach, nun schaut nicht so. Es gibt eindeutige Zeichen, wenn man ein wirklicher Prophet wird. Von mir habt Ihr nichts zu befürchten.« Amanas kicherte. Es war schön, dass sich ein Mann der Gewalt Sorgen machte. Die armen Seelen, die über die Voraussicht hinausgingen und Propheten wurden, wurden von den Dingen, die sie sahen, in den Wahnsinn getrieben. Die meisten mussten zur Sicherheit aller angekettet werden.
»Was ich damit sagen wollte, ist, dass ich so etwas tun kann, wenn ich in der Nähe eines Mannes bin, in Verbindung mit ihm stehe«, erklärte er. »Aber dieser Krann … ich habe diesen Mann zwar noch nie getroffen, seit Monaten aber habe ich von einem Wappen geträumt. Ich hatte es bereits als Schild entworfen, bevor der Krann noch erwählt wurde. Er muss mehr als ein Weißauge sein, um eine solche Wirkung zu haben.«
Die Wache wusste nicht, wie sie darauf antworten sollte. Das ganze Gespräch hatte den Mann nervös gemacht. Nach einer langen Pause sagte er grimmig: »Nun, wir lassen Lord Bahl besser nicht warten.«
Amanas nickte und stand auf, um seinen Gast in die Bibliothek zu führen, einen dunklen, mit alter Eiche getäfelten Raum, mit Halterungen für Schriftrollen auf der linken Seite und zwei Reihen Regalen auf der rechten. Stabile Lesepulte standen in der Mitte. Einige offensichtlich wertvolle Folianten waren an die Regale gekettet, aber der Schlüsselmeister beachtete sie gar nicht und schlurfte stattdessen zu einer Tür am Ende des Raumes, die sich in ein Zimmer öffnete, das wie die Bleikammer eines Juweliers wirkte.
Nachdem Amanas aufgeschlossen und eine Lampe von einem der Pulte geholt hatte, konnte der Wächter ordentliche Papierstapel auf niedrigen Regalen liegen sehen, die an den Wänden
der Kammer standen. Und auf einem stand etwas Großes, das in dunkles Tuch gehüllt war.
Amanas schob einige Papiere aus dem Weg und nahm den Gegenstand andächtig herunter. Er schaute über die Schulter und funkelte die Wache an. »Wisst Ihr, warum zwei Eurer Kumpanen vor meiner Arbeitszimmertür Wache stehen?«
»Nein, Herr, nur dass Haushofmeister Lesarl es so angeordnet hat.«
»Ah, ja, der Haushofmeister. Ein Mann mit erstaunlicher Weitsicht. Diese Bibliothek ist wertvoller, als die meisten Leute wissen. Ich konnte nur mit Mühen verhindern, dass sie in den Palast oder in die Kalten Hallen verlagert wurde, nachdem Lesarl dies erkannt hatte. Unsere Adeligen sind eine untreue Brut, die Bastarde zeugt, als stünden sie darüber im Wettkampf. Meine Aufzeichnungen sind fehlerlos – müssen es auch sein – und meine Fähigkeiten erlauben es mir, Lügen zu durchschauen. Ich vermute, dass nur der Haushofmeister, einer
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