Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
sehen… das war, als würde man jemanden beim Wechseln der Kleider beobachten. Als würde man ihn entblößt sehen.
Arme Frau, dachte sie. Ich frage mich, wie das passiert ist. Hatte sie ihn selbst verkauft? Oder war er ihr weggenommen worden? Plötzlich fühlte sich Vivenna unbeholfen. Warum habe ich so viel und sie gar nichts? Das war die schlimmste Form der Prahlerei.
Sie spürte Denth herannahen, bevor er die Tür aufstieß, die wirkte, als würde sie sehr bald aus den Angeln fallen. » Sicher«, sagte er. Dann sah er Vivenna an. » Ihr müsst bei dieser Sache nicht mitmachen, wenn Ihr Eure Zeit nicht verschwenden wollt, Prinzessin. Juwelchen kann Euch zurück zum Haus bringen. Wir befragen den Mann und erstatten Euch Bericht.«
Sie schüttelte den Kopf. » Nein. Ich will hören, was er zu sagen hat.«
» Das dachte ich mir«, meinte Denth. » Unsere nächste Verabredung werden wir aber trotzdem absagen. Juwelchen, du…«
» Ich mach das«, unterbrach ihn Parlin.
Denth verstummte und sah Vivenna an.
» Ich verstehe vielleicht nicht alles, was in dieser Stadt vorgeht«, sagte Parlin, » aber eine einfache Botschaft kann ich durchaus abliefern. Ich bin schließlich kein Dummkopf.«
» Lasst ihn gehen«, meinte Vivenna. » Ich vertraue ihm.«
Denth zuckte die Achseln. » Also gut. Geh die Straße entlang, bis du an den Platz mit der zerbrochenen Reiterstatue kommst, dann wende dich nach Osten und folge allen Biegungen der Straße. Sie führt dich zum Armenviertel. Das nächste Treffen sollte in einem Lokal namens › Zum Soldaten‹ stattfinden, an der Westseite des Marktes.«
Parlin nickte und machte sich auf den Weg. Denth bedeutete Vivenna und den anderen, das Haus zu betreten. Der nervöse Idrier– Zham war sein Name– ging voran. Vivenna folgte ihm und war überrascht, dass das Gebäude im Inneren etwas stabiler wirkte, als es von außen den Anschein gehabt hatte. Tonk Fah fand einen Schemel und stellte ihn in die Mitte des Raumes.
» Setz dich, mein Freund«, sagte er und deutete auf den Schemel.
Zham nahm nervös Platz.
» Warum sagst du uns nicht, wie du herausgefunden hast, dass die Prinzessin heute in diesem besonderen Speiselokal war?«
Zhams Blicke glitten hin und her. » Ich war gerade zufällig in der Gegend und…«
Tonk Fah ließ seine Fingerknöchel knacken. Vivenna sah ihn kurz an und bemerkte plötzlich, dass der Söldner nun… gefährlicher wirkte. Der lässige, übergewichtige Mann, der so gern ein Nickerchen hielt, war verschwunden. An seine Stelle war ein Schläger mit hochgerollten Ärmeln getreten, der beeindruckende Muskeln zur Schau stellte.
Zham schwitzte. Klump, der Leblose, betrat das Zimmer. Seine nichtmenschlichen Augen waren verschattet, und sein Gesicht wirkte, als wäre es aus Wachs geformt.
» Ich… ich arbeite manchmal für einen der Anführer in der Stadt«, erklärte Zham. » Nur kleine Sachen. Nichts Großes. Wenn man einer von uns ist, nimmt man alle Arbeit an, die man bekommen kann.«
» Einer von uns?«, fragte Denth und legte die Hand auf den Knauf seines Schwertes.
» Ein Idrier.«
» Ich habe in dieser Stadt schon Idrier in hohen Ämtern gesehen, mein Freund«, sagte Denth. » Als Kaufleute oder Geldverleiher.«
» Das sind die Glücklichen, Herr«, sagte Zham und schluckte. » Die haben ihr eigenes Geld. Die Leute arbeiten mit jedem zusammen, der Geld hat. Aber wenn man nur ein gewöhnlicher Mann ist, sieht die Sache anders aus. Die Leute schauen auf die Kleidung und bemerken den Akzent, und dann suchen sie sich jemand anderen für die Arbeit. Sie sagen, man kann uns nicht vertrauen. Oder wir sind langweilig. Oder wir stehlen.«
» Stimmt das denn?«, fragte Vivenna.
Zham sah sie an und senkte dann den Blick auf den Lehmboden des Hauses. » Manchmal«, gab er zu. » Aber nicht von Anfang an. Ich mache so etwas nur, wenn mein Meister mich darum bittet.«
» Das beantwortet noch immer nicht die Frage, woher du wusstest, wie du uns finden kannst, mein Freund«, meinte Denth ruhig. Die Art, wie er das Wort » Freund« benutzte, während Tonk Fah und der Leblose neben ihm standen, verursachte bei Vivenna eine Gänsehaut.
» Mein Meister redet zu viel«, sagte Zham. » Er wusste, was in diesem Lokal stattfinden sollte, und diese Information hat er an einige Leute verkauft. Ich habe kostenlos zuhören können.«
Denth warf Tonk Fah einen kurzen Blick zu.
» Jedermann weiß, dass sie in der Stadt ist«, sagte Zham rasch. » Wir alle haben die
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