Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
beachteten ihn gar nicht.
Denth hatte Recht. Es gab nicht viele Leblose im Stadtbild, aber sie waren auch nicht völlig ungewöhnlich. Einige gingen über den Markt und trugen Pakete für ihre Eigentümer. Keiner von ihnen war jedoch so muskulös und groß wie Klump– die Leblosen waren genauso unterschiedlich wie die lebenden Menschen. Sie dienten als Wächter für die Geschäfte, als Träger, oder sie fegten den Bürgersteig.
Vivenna ging weiter und erhaschte einen kurzen Blick auf Juwelchen, als sie an der Frau vorbeikam. Wie schafft sie es, so entspannt zu wirken?, fragte sich Vivenna. Jeder der Söldner wirkte, als befände er sich bei einem gemütlichen Picknick.
Denk nicht an die Gefahr, ermahnte sich Vivenna und ballte die Fäuste. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Gärten. Eigentlich war sie ein wenig eifersüchtig auf die T’Telirer. Die Menschen saßen im Gras, lagen im Schatten der Bäume, ihre Kinder spielten herum und lachten. Statuen von D’Denir standen in einer feierlichen Reihe, die Arme erhoben, die Waffe griffbereit, wie zur Verteidigung des Volkes. Bäume wuchsen hoch in den Himmel und breiteten ihre Äste aus, die wie seltsame, blumenartige Büschel wirkten.
Großblätterige Blumen blühten in Pflanzkübeln, darunter befanden sich einige Tränen von Edgli. Austre hatte die Blumen dort gepflanzt, wo es ihm gefiel. Es war anmaßend, sie abzuschneiden, mit nach Hause zu nehmen und damit ein Zimmer zu schmücken. Aber war es auch anmaßend, sie mitten in die Stadt zu setzen, wo alle sie genießen konnten?
Sie wandte sich ab. Ihr Biochroma spürte weiterhin die Schönheit. Das dicht gedrängte Leben in diesem einen Bezirk verursachte eine Art Summen in ihrer Brust.
Kein Wunder, dass sie gern so eng zusammenleben, dachte sie und betrachtete eine Gruppe von Blumen in zarter Farbabstufung. Und wenn man so gedrängt lebt, kann man die Natur nur sehen, wenn man sie zu sich holt.
» Hilfe! Feuer!«
Vivenna wirbelte herum, genau wie die meisten anderen Leute auf der Straße. Das Gebäude, neben dem Parlin und Tonk Fah gestanden hatten, brannte. Vivenna riss den Blick von den Flammen los und schaute auf den Mittelpunkt der Gärten. Auch in ihnen starrten die Leute verblüfft auf den Rauch, der in den Himmel quoll.
Die erste Ablenkung.
Die Leute rannten herbei, weil sie helfen wollten, wodurch sie die Kutschen auf den Straßen behinderten. In diesem Augenblick trat Klump vor, reihte sich in die vorwärtsströmende Menge ein und schwang einen Knüppel gegen ein Pferdebein. Vivenna konnte nicht hören, wie der Knochen brach, aber sie sah, dass das Tier aufschrie und stürzte, wobei es die Kutsche, die es gezogen hatte, umkippte. Eine Truhe fiel von ihr herunter und schlug auf die Straße.
Die Kutsche gehörte einem gewissen Nanrovah, dem Hohepriester des Gottes Stillfleck. Denths Informanten hatten behauptet, es befänden sich Wertgegenstände in der Kutsche. Selbst wenn das nicht stimmen sollte, würde ein in Gefahr schwebender Hohepriester eine Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die zu Boden gegangene Truhe sprang durch einen Glücksfall auf, und Goldmünzen regneten heraus.
Die zweite Ablenkung.
Vivenna bemerkte Juwelchen, die an der anderen Seite der Kutsche stand. Sie sah Vivenna an und nickte. Es war Zeit, von hier zu verschwinden. Während die Leute auf das Feuer und das Gold zuliefen, ging Vivenna weg. Nicht weit entfernt würde Denth jetzt zusammen mit einer Diebesbande einen Laden überfallen. Die Diebe durften ihre Beute behalten. Vivenna wollte nur sicherstellen, dass die Waren verschwanden.
Rasch gesellten sich Juwelchen und Parlin zu ihr. Überrascht stellte sie fest, wie schnell ihr Herz schlug. Eigentlich war nichts geschehen. Es hatte keine wirkliche Gefahr bestanden. Nicht für sie selbst. Es hatten sich nur einige » Unfälle« ereignet.
Genauso hatte es sein sollen.
Stunden später waren Denth und Tonk Fah noch immer nicht zum Haus zurückgekehrt. Vivenna saß still auf ihrem neuen Stuhl und hatte die Hände in den Schoß gelegt. Die jüngst gekauften Möbel waren grün. Braun schien in T’Telir keine beliebte Farbe zu sein.
» Wie spät ist es?«, fragte Vivenna leise.
» Ich weiß nicht!«, fuhr Juwelchen sie an. Sie stand vor dem Fenster und schaute hinaus auf die Straße.
Geduld, ermahnte Vivenna sich. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie so grob ist. Man hat ihren Hauch gestohlen.
» Sollten sie nicht schon lange zurück sein?«, fragte Vivenna
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