Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
negative Natur.«
Schamweberin dachte nach, Lichtsang schwieg ebenfalls. Schließlich meinte sie: » Mein Lieber, was sollte das bedeuten?«
» Ich bin mir nicht ganz sicher«, meinte er. » Es kam nur so aus mir heraus. Aber ich sehe mit meinem inneren Auge, was es bedeutet. Und zwar ausgedrückt in Zahlen.«
» Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie und klang dabei ehrlich besorgt.
Bilder des Krieges zogen durch seinen Kopf. Sein bester Freund– ein Mann, den er nicht kannte– starb mit einem Schwert in der Brust. » Ich bin mir nicht sicher«, sagte er. » In letzter Zeit war für mich alles etwas seltsam.«
Sie saß eine Weile schweigend da. Dann sagte sie: » Möchtest du mit mir in meinen Palast gehen und etwas herumtollen? Danach fühlst du dich doch immer besser.«
Er warf einen Kiesel und lächelte. » Meine Liebe, du bist unverbesserlich.«
» Ich bin schließlich die Göttin der Lust«, sagte sie. » Ich muss meine Rolle ausfüllen.«
» Beim letzten Mal warst du noch die Göttin der Aufrichtigkeit.«
» Der Aufrichtigkeit und der aufrichtigen Gefühle, mein Lieber«, sagte sie süßlich. » Ich kann dir sagen, dass Lust eines der aufrichtigsten Gefühle ist, die es gibt. Was machst du eigentlich mit diesen dummen Kieseln?«
» Zählen«, antwortete er.
» Zählst du deine Albernheiten?«
» Sowohl das«, antwortete Lichtsang und warf noch einen Kiesel, » als auch die Anzahl der Priester, die durch das Tor kommen und die Farben eines Gottes oder einer Göttin tragen.«
Schamweberin runzelte die Stirn. Es war Mittag, und am Tor herrschte ein großes Gedränge von Dienern und Schaustellern. Es waren jedoch nur wenige Priester und Priesterinnen zu sehen; die meisten waren bereits früher eingetroffen, um ihren Gottheiten zu dienen.
» Jedes Mal, wenn der Priester eines bestimmten Gottes eintritt, werfe ich einen Kiesel in die Urne, die diesen Gott repräsentiert.«
Schamweberin sah zu, wie er einen weiteren Kiesel warf– und danebentraf. So wie er es befohlen hatte, hob ein Diener den Kiesel sofort auf und legte ihn in die betreffende Urne. Diesmal war es die silberne und violette. Neben ihnen hastete eine von Hoffnungsfinders Priesterinnen auf den Palast ihrer Göttin zu.
» Ich bin verblüfft«, sagte Schamweberin schließlich.
» Es ist ganz einfach«, meinte Lichtsang. » Du siehst jemanden, der Purpur trägt, und wirfst einen Kiesel in die Urne mit derselben Farbe.«
» Ja, mein Lieber, aber warum?«
» Weil ich herausfinden will, wie viele Priester jeder Gottheit den Hof betreten«, erklärte Lichtsang. » Inzwischen ist ihr Zustrom zu einem Rinnsal geworden. Huscher, würdest du bitte nachzählen?«
Llarimar verneigte sich, sammelte einige Diener und Schreiber um sich und befahl ihnen, die Urnen zu leeren und deren Inhalt nachzuzählen.
» Mein lieber Lichtsang«, sagte Schamweberin, » ich möchte mich dafür entschuldigen, wenn ich dich in letzter Zeit nicht gebührend beachtet habe. Allmutter war meinen Vorschlägen gegenüber unempfänglich. Falls es mein Mangel an Aufmerksamkeit war, der deinen labilen Geisteszustand durcheinandergebracht hat…«
» Mein Geisteszustand ist weder labil noch durcheinandergebracht, vielen Dank«, wandte Lichtsang ein, setzte sich auf und beobachtete seine Diener beim Zählen.
» Dann bist du offenbar zutiefst gelangweilt«, fuhr Schamweberin fort. » Vielleicht gibt es etwas, womit wir dich unterhalten können.«
» Ich habe genug Unterhaltung.« Er lächelte, noch bevor das Ergebnis feststand. Gnadenstern hatte einen der kleinsten Kieselhaufen.
» Lichtsang?«, fragte Schamweberin. Ihre spielerische Haltung war fast ganz verschwunden.
» Ich habe meine Priester heute sehr früh zu mir bestellt«, sagte Lichtsang und sah sie an. » Dann habe ich ihnen befohlen, noch vor Sonnenaufgang hier beim Tor Position zu beziehen. Inzwischen zählen wir schon seit sechs Stunden Priester.«
Llarimar ging zu ihm hinüber und übergab Lichtsang eine Liste der Götter und Priester, die in ihren Farben durch das Tor getreten waren. Lichtsang überflog sie und nickte.
» Einige Gottheiten haben über hundert Priester zu ihrer Verfügung, andere dagegen kaum ein Dutzend. Gnadenstern gehört zu der letzen Gruppe.«
» Ach ja?«, meinte Schamweberin.
» Ach ja«, wiederholte Lichtsang. » Ich werde meine Diener zu Gnadensterns Plast schicken, damit sie dort die Anzahl der Priester überprüfen. Ich ahne schon, wie das Ergebnis aussehen wird.
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