Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Haar hatte die Farbe nicht geändert, zumindest nicht erkennbar. Sie sah Treledees verstohlen an und versuchte herauszufinden, was hier nicht stimmte. Dabei bemerkte sie etwas Interessantes. In einem Kreis um Treledees schien das Gras ein wenig leuchtender zu sein.
Hauch, dachte sie. Natürlich hat er welchen! Er ist einer der mächtigsten Männer im Reich.
Menschen mit einem großen Vorrat an Hauch konnten angeblich sehr feine Farbveränderungen wahrnehmen. War er deswegen immer so respektlos gewesen? Konnte er ihre Angst sehen?
Sie biss die Zähne zusammen. In ihrer Jugend hatte Siri die Übungen vernachlässigt, durch die Vivenna die vollkommene Kontrolle über ihre Haare erlangt hatte. Siri war ein gefühlsbetonter Mensch, und die anderen konnten in ihr lesen, ohne sich das Haar anzusehen. Deshalb hatte sie sich erst gar nicht die Mühe gemacht zu lernen, wie sie ihre Haare beeinflussen konnte.
Dabei hatte sie nicht an einen Hof der Götter und an Menschen mit der Macht des Biochromas gedacht. Ihre Lehrer waren viel klüger gewesen, als Siri angenommen hatte. Genau wie die Priester. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass Treledees und die anderen alle Bedeutungen der kleinsten Veränderungen ihrer Haarfarbe kannten.
Sie musste das Gespräch wieder in andere Bahnen lenken. » Vergiss nicht, Treledees«, sagte sie, » dass du derjenige bist, der zu mir gekommen ist. Offenbar habe ich hier doch eine gewisse Macht, wenn ich sogar den Hohepriester dazu bringen kann, das zu tun, was ich will.«
Er sah sie mit kaltem Blick an. Sie konzentrierte sich ganz auf ihre Haare und hielt sie in tiefstem Schwarz. Schwarz stand für Zuversicht. Sie erwiderte seinen Blick, und nicht die leiseste Tönung schlich sich in ihr Haar.
Schließlich wandte er sich ab. » Ich habe beunruhigende Gerüchte gehört.«
» Ach ja?«
» Ja. Anscheinend erfüllt Ihr Eure ehelichen Pflichten nicht mehr. Seid Ihr schwanger?«
» Nein«, antwortete sie. » Ich hatte vor ein paar Tagen meine Regel. Ihr könnt die Dienerinnen fragen.«
» Warum versucht Ihr es dann nicht mehr?«
» Wie bitte?«, fragte sie zurück. » Sind Eure Informanten enttäuscht, weil sie keine nächtlichen Darbietungen mehr bekommen?«
Treledees errötete ganz leicht. Er sah sie fragend an, und es gelang ihr noch immer, die Haare in einem vollkommenen Schwarz zu halten. Nicht einmal ein Schimmer von Weiß oder Rot befand sich in ihnen. Treledees schien unsicherer zu werden.
» Ihr Idrier!«, spuckte der Priester aus. » Ihr lebt dreckig und unkultiviert in eurem Hochgebirge und glaubt dennoch, ihr seid etwas Besseres als wir. Urteilt nicht über mich. Urteilt nicht über uns. Ihr wisst gar nichts.«
» Ich weiß, dass Ihr die Vorgänge im Schlafgemach des Gottkönigs belauscht.«
» Wir lauschen nicht nur«, sagte Treledees. » In den ersten Nächten befand sich sogar ein Spion im Schlafzimmer.«
Diesmal konnte Siri es nicht verhindern, dass sie errötete. Ihr Haar blieb zwar schwarz, aber wenn Treledees wirklich genug Biochroma hatte, um auch feinste Abstufungen zu erkennen, fiel ihm jetzt die Spur von Rot auf.
» Ich weiß sehr wohl, welch schädliche Dinge Eure Mönche lehren«, sagte Treledees und wandte sich ab. » Ich weiß um den Hass, in dem Ihr geschult werdet. Glaubt Ihr wirklich, wir würden eine Frau aus Idris allein und ohne Bewachung in die Nähe des Gottkönigs lassen? Wir mussten uns vergewissern, dass Ihr ihn nicht töten wolltet. Wir sind von Euren Absichten noch immer nicht überzeugt.«
» Du redest mit bemerkenswerter Offenheit«, meinte sie.
» Ich drücke nur Dinge aus, die ich schon von Anfang an hätte klarstellen sollen.« Sie blieben im Schatten des gewaltigen Palastes stehen. » Ihr seid hier nicht wichtig. Nicht im Vergleich zu unserem Gottkönig. Er ist alles, und Ihr seid nichts. Genau wie wir anderen.«
Wenn Susebron so wichtig ist, dachte Siri und begegnete Treledees’ Blick, warum habt ihr dann vor, ihn zu töten? Sie hielt seinem Blick stand. Noch vor wenigen Monaten hätte sie weggeschaut. Aber wenn sie sich schwach fühlte, dann dachte sie an Susebron. Treledees steuerte die Verschwörung zur Unterdrückung, Kontrolle und Tötung seines eigenen Gottkönigs.
Und Siri wollte den Grund dafür herausfinden.
» Ich schlafe absichtlich nicht mehr mit dem Gottkönig«, sagte sie und hielt ihr Haar unter Mühen dunkel. » Ich dachte, dass ich auf diese Weise deine Aufmerksamkeit errege.«
In Wahrheit hatte
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