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Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker

Titel: Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Fingern zerrte sie nervös an den seitlichen Bändern ihrer Robe. Ihre Hände waren schweißfeucht. Dauerte das Entkleiden schon zu lange? War er wütend darüber? Würde sie tot sein, bevor die erste Nacht vorüber war?
    Wäre es vielleicht sogar besser so?
    Nein, dachte sie entschlossen. Nein. Ich muss das tun. Für Idris. Für die Felder und die Kinder, denen ich die Blumen geschenkt habe. Für meinen Vater und Mab und alle anderen im Palast.
    Schließlich hatte sie alle Bänder gelöst, und die Robe fiel mit erstaunlicher Leichtigkeit von ihr ab– nun erkannte sie, dass das Kleidungsstück ganz auf diesen Zweck zugeschneidert worden war. Sie ließ es am Boden liegen, hielt inne und warf einen Blick auf ihre Unterwäsche. Der weiße Stoff strahlte ein ganzes Spektrum von Farben ab, wie Licht, das durch ein Prisma gebrochen wird. Sie nahm diesen seltsamen Effekt entsetzt wahr und fragte sich, wodurch er bewirkt wurde.
    Es war gleichgültig. Sie war zu nervös, um lange darüber nachzudenken. Siri biss die Zähne zusammen und zwang sich, auch die Unterwäsche auszuziehen, bis sie nackt dastand. Rasch kniete sie sich auf die kalten Steine, krümmte sich zusammen, beugte sich vor und berührte mit der Stirn den Boden, während ihr Puls in den Ohren hämmerte.
    Im Zimmer war nichts anderes zu hören als das Knistern des Feuers. Es war angesichts der Lufttemperatur in Hallandren nicht nötig, aber in ihrem entkleideten Zustand war Siri dankbar dafür.
    Sie wartete mit vollständig weiß gewordenem Haar. Alle Anmaßung und Halsstarrigkeit war von ihr abgefallen; sie war in vieler Hinsicht nackt. Hier also verlor sie ihre Unabhängigkeit und Freiheitsliebe. Was immer sie behaupten oder fühlen mochte, am Ende musste sie sich der Autorität beugen. Wie jeder andere auch.
    Noch immer biss sie die Zähne zusammen und stellte sich vor, wie der Gottkönig vor ihr saß und sie in ihrer Nacktheit und Unterwürfigkeit beobachtete. Außer seiner Größe hatte sie nicht viel von ihm erkennen können– er war mindestens einen Fuß größer als alle anderen Menschen, die sie bisher gesehen hatte, und seine Schultern sowie sein ganzer Körperbau waren breiter und massiger. Er wirkte viel bedeutender als andere, geringere Menschen.
    Er war ein Zurückgekehrter.
    Das allein stellte noch keine Sünde dar. Schließlich gab es auch in Idris Zurückgekehrte. Doch das Volk von Hallandren hielt sie am Leben, nährte sie mit den Seelen der Unterschicht und raubte dadurch Hunderten von Einwohnern jedes Jahr den Hauch…
    Denk nicht darüber nach, sagte sich Siri nachdrücklich. Doch als sie versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, kehrte die Erinnerung an die Augen des Gottkönigs zurück. Diese schwarzen Augen, die im Feuerschein zu leuchten schienen. Siri spürte noch immer ihren beobachtenden Blick; sie waren so kalt wie der Boden, auf dem sie kniete.
    Das Feuer knisterte. Blaufinger hatte gesagt, der König würde ein Klopfzeichen geben und sie so zu sich befehlen. Hatte sie es etwa überhört? Sie wagte es nicht, aufzuschauen. Durch Zufall waren sich ihre Blicke bereits einmal begegnet, und sie durfte es nicht wagen, ihn noch weiter zu verärgern. So blieb sie einfach knien, die Ellbogen auf dem Boden, und allmählich tat ihr der Rücken weh.
    Warum unternimmt er nichts?
    War er unzufrieden mit ihr? War sie nicht so schön, wie er es sich erhofft hatte, oder war er zornig, weil sie ihn angesehen und dann so lange gebraucht hatte, um sich auszuziehen? Es wäre eine außerordentliche Ironie des Schicksals, wenn sie ihn beleidigt hatte, indem sie angestrengt versuchte, nicht so respektlos und leichtfertig wie sonst zu sein. Oder stimmte irgendetwas anderes nicht? Ihm war die älteste Tochter des idrischen Königs versprochen worden, doch stattdessen hatte er Siri erhalten. Wusste er das? Machte es ihm etwas aus?
    Die Minuten vergingen, und es wurde dunkler im Zimmer, als das Feuer die Holzscheite allmählich verzehrte.
    Er spielt mit mir, dachte Siri. Er will mich seinen Launen unterwerfen. Vielleicht lag in dem Umstand, dass er sie in einer so unbequemen Lage knien ließ, eine Botschaft– vielleicht wollte er ihr auf diese Weise zeigen, wer hier die Macht hatte. Er würde sie erst dann nehmen, wenn er es wollte.
    Sie biss weiterhin die Zähne zusammen, während die Zeit verging. Wie lange kniete sie schon hier? Eine Stunde, vielleicht sogar länger. Noch immer ertönte nicht das leiseste Geräusch– kein Klopfen, kein Hüsteln;

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