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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und scheu, erst recht bei Dunkelheit.
    »Ich brauche die Prämie«, rief Junis, noch immer ohne Tarik anzusehen.
    »Natürlich. Wer nicht.«
    Das Gesicht des Jüngeren ruckte herum. Wutentbrannt, mit all dem Jähzorn im Blick, den Tarik nur zu gut kannte. »Es geht nicht um Wein und Frauen. Ich bin nicht du.«
    Tarik zuckte die Achseln. »Und ich dachte, es geht hier nur um eine Frau.«
    »Maryam hat nichts damit zu tun!«
    »Nein. Sie ist tot.« Es war leicht, das auszusprechen. Er hatte es so viele Male getan, über leere Krüge gebeugt, betrunken in der Gosse, nachts allein im Halbschlaf, wenn ihn die kalte Feuchte des Kissens unter seiner Wange aufgeweckt hatte.
    Zornig versuchte Junis ein Manöver, um die aneinandergeschmiegten Teppichkanten zu trennen. Ohne Erfolg. Und doch, dachte Tarik, er ist gut, ganz ohne Zweifel. Viel besser als früher. Nur sein Ehrgeiz stand ihm im Weg. Sein aufbrausendes Wesen war der Stolperstein, der ihn zu Fall bringen würde.
    Aber war es nicht gerade das, was er Tarik immer vorgehalten hatte? Vielleicht waren sie sich ähnlicher, als sie wahrhaben wollten.
    Vielleicht auch nicht.
    »Ich muss gewinnen«, rief Junis, jetzt in einem Anflug von Trotz. »Ich habe alles auf mich selbst gesetzt. Alles, jeden einzelnen Dinar.«
    »Obwohl du gewusst hast, dass ich am Rennen teilnehme?«
    »Du bist nicht unschlagbar. Auch wenn du das glaubst.«
    Tariks Verwunderung war aufrichtig. Zugleich forschte er in sich nach einem schlechten Gewissen. Wenn er Junis abschüttelte würde sein jüngerer Bruder alles verlieren. Wenig erstaunt stellte er fest, dass ihn das kaum berührte. Die Verantwortung für so viel Dummheit lag allein bei Junis selbst.
    Und doch, er war neugierig. »Was hast du vor? Mit dem Geld, meine ich.«
    Ein aufsässiger Unterton trat in Junis’ Stimme. »Ich werde auf Vaters alter Schmuggelroute fliegen. Nach Bagdad. Ich habe einen Auftrag angenommen.«
    Schweigen. Der Palast kam näher. Die Soldaten auf den Zinnen bewegten sich nicht mehr.
    Tarik löste das Tuch vor seinem Mund, um sicherzugehen, dass sein Bruder jedes einzelne Wort verstehen konnte.
    »Das Dschinnland hat Maryam umgebracht. Es wird auch dich töten.«
    »Maryam hat sich auf dich verlassen«, entgegnete Junis kühl. »Den Fehler werde ich wohl kaum begehen.«
    Tarik ballte seine Hand im Muster zur Faust. Mit einem scharfen Fauchen sackte sein Teppich nach unten weg, tauchte unter Junis hindurch. Er streckte die freie Hand nach oben aus. Berührte die Unterseite des fremden Gewebes. Stieß mit einer gemurmelten Beschwörung die Finger hinein.
    Junis’ Teppich wollte sich aufbäumen, als er die Befehle zweier Meister in sich spürte. Eine Wellenbewegung lief durch das Gewebe, während Junis hasserfüllt aufschrie und von oben einen verzweifelten Kraftstoß in das Muster jagte.
    Tarik wischte den Befehl seines Bruders beiseite; es war leicht, so als fiele er ihm im Streit ins Wort. Zugleich zwang er Junis’ Teppich seinen eigenen Willen auf.
    Es war der schändlichste Trick, mit dem ein starker Reiter einen schwächeren ausschalten konnte. Ins fremde Muster zu greifen, galt als verpönt und unehrenhaft. Aber Ehre war etwas, um das sich die Verlierer schlagen mochten. Niemand fragte den Gewinner eines Rennens danach. Tarik kannte jede List, mit der er einem anderen beikommen konnte. Er hatte sie alle ausprobiert, und er verspürte auch jetzt nicht den Schatten eines Skrupels.
    Sein Bruder schrie auf, geriet ins Schlingern. Tarik zog die Hand aus der Unterseite von Junis’ Teppich, gab das Muster frei und wusste zugleich, dass es zu spät war, um seinen Befehl rückgängig zu machen. Er schoss unter Junis hinweg, stieg vor ihm auf und blickte flüchtig über die Schulter.
    Der Teppich seines Bruders drehte sich im Flug um sich selbst, schlingerte nach rechts und links, während Junis sich festklammerte, wütende Flüche brüllte und versuchte, die Kontrolle zurückzuerlangen.
    Zu spät.
    Tarik blieb keine Zeit, das Ende mit anzusehen. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Junis den Halt verlor und abgeworfen wurde, während der Teppich geradewegs auf eine Hauswand zuhielt. Tarik suchte abermals nach Gewissensbissen. Er fand noch immer keine.
    Er hörte Junis hinter sich aufschreien, doch etwas anderes verlangte nun seine Aufmerksamkeit. Vor ihm, dann neben ihm wuchs die Palastmauer in die Höhe.
    Mondlicht blitzte auf Pfeilspitzen. Nach all dem Geschrei waren die Soldaten auf den Zinnen gewarnt. Nach dem

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