Sturmkönige 01 - Dschinnland
ein naturgewaltiges Stöhnen und Flüstern, das am Zelt vorüberraste und die Plane aufschleuderte.
Plötzlich stand dort eine Gestalt, klein und sehr zart. Ein Kind noch, ein Junge. Stand nur da und blickte herein, starrte Junis an, vom Mond über der Wüste in silbrigen Glanz gehüllt. Vielleicht sah so die Welt aus, wenn man sie mit Sabateas weißgrauen Augen sah, kristallen oder metallisch, unterkühlt und geisterhaft ausgebleicht.
Der Junge regte sich nicht, blickte wortlos von außen ins Zelt und musterte Junis, der nicht wusste, was er von ihm halten sollte. Man hatte ihm gesagt, er möge hier auf den Anführer der Sturmkönige warten, einen der Vermummten, den er nur von Weitem gesehen hatte, als er im Vorbeigehen die neuen Freiwilligen inspizierte. Der Mann war stehen geblieben und hatte auf Junis gezeigt, etwas zu einem seiner Begleiter gesagt und war weitergegangen. Später hatte man Junis von den anderen fortgeholt und in dieses Zelt gebracht.
Seitdem wartete er.
Sicher war, dass der Junge dort draußen nicht der Anführer der Rebellen war, ob mit oder ohne Vermummung. Nur ein Kind. Ein Kind, das ihn unverwandt anstarrte.
»Wer bist du?«, fragte Junis.
Aber da wandte sich der Junge schon ab, floss wie geschmolzenes Silber davon, fort aus seinem Blickfeld. Junis machte ein paar Schritte nach vorn, um zu sehen, wohin das Kind verschwunden war. Doch bevor er den Ausgang erreichte, trat jemand zu ihm ins Zelt.
Die klobige Gestalt eines Sturmkönigs schlug die Plane beiseite und drückte sich durch den Spalt. Unmittelbar vor Junis blieb der Anführer stehen. Staub bedeckte die wollene Kleidung, die verschlungenen Schärpen um Schultern und Gesicht. Nur ein Augenschlitz blieb unbedeckt zwischen all den Bahnen und Falten im Stoff. Unsichtbare Augen im Schatten.
Junis machte einen Schritt zurück, um den Fremden nicht zu provozieren. Er wusste nicht, warum man gerade ihn ausgesondert und in dieses Zelt geführt hatte.
»Du wolltest mich sprechen?«, fragte er.
Der andere beobachtete ihn stumm, nicht unähnlich dem kleinen Jungen vorhin. Nur, dass Schweigen und Reglosigkeit bei dem Vermummten grimmiger wirkten. Düster und bedrohlich.
»Mein Name ist Junis. Ich danke dir dafür, dass deine Leute uns gerettet haben.«
Der Sturmkönig nickte. Dann hob er die Hände an den Hinterkopf und öffnete die Stoffbahnen. Bedächtig entwirrte er die staubigen Binden, die seinem Schädel eine derbe, nichtmenschliche Form verliehen.
Der Kopf, der sich aus der Vermummung schälte, war ungleich schmaler. Langes Haar löste sich im Nacken.
»Willkommen bei den Sturmkönigen.«
Der Kalif beugte sich über seinen Weinkelch und sah auf die trübe, dunkle Oberfläche. Musterte sein Spiegelbild, blutrot in einem Kranz aus Gold. Blickte dann wieder hoch zu Sabatea.
»Ich weiß, warum du hier bist«, sagte er.
In den nächtlichen Gassen Bagdads streckte sich eine Hand nach einem Mann am Boden aus. Tarik musterte die Gestalt über sich mit einem Auge, sah eine Silhouette im Mondschein.
»Almarik?«, fragte er leise.
Der Byzantiner zog ihn auf die Beine. »Komm mit mir«, sagte er. An seinem Gürtel hing eine bauchige Flasche, aus der ein dumpfes Pochen ertönte.
»Wohin? «
Der Krieger ging voraus. Tarik zögerte, dann folgte er ihm auf einer Woge aus Schmerz.
Noch einmal fragte er »Wohin?«, als sie in Bagdads Schatten tauchten.
Nur Schweigen als Antwort.
In seinen Gedanken das fremde Gelächter.
Und in einem Zelt, tief im Dschinnland, flüsterte Junis einen Namen.
»Maryam.«
ENDE
der ersten Bandes
Band zwei, WUNSCHKRIEG,
erscheint im März 2009
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