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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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kleines Stück Frieden zu finden. Hoffnung auf etwas Besseres. Den Glauben daran, dass sie vielleicht irgendwann wie jede andere leben konnte, mit Menschen, die sie liebte.
    Aber es gab etwas, das sie dafür tun musste. Etwas, zu dem man sie gezwungen hatte. Der einzige Grund, aus dem sie wirklich hier war.
    Jemand betrat hinter ihr den Raum und forderte sie auf, ihm zu folgen. Es war einer der Eunuchen, ein Junge noch, kahl geschoren, in purpurnen Pluderhosen und einer schillernden Weste. Sabatea ging wie in Trance hinter ihm her und dachte, dass sie unterwegs für alle so aussehen musste wie ihr verzerrtes Spiegelbild im Wasser. Als würde ihre innere Hässlichkeit in einer Eruption aus Wahrheit nach außen dringen und jedermann offenbaren, wer und was sie tatsächlich war. Alle würden sie mühelos durchschauen, den Plan von ihren Zügen ablesen, die Verderbtheit spüren, die sie in sich trug.
    Doch kaum jemand achtete auf sie. Nur ein paar Palastmädchen warfen ihr verstohlene Blicke zu, einige neidisch, manche auch ehrfurchtsvoll. Als wäre irgendetwas an ihr, das Respekt verlangte. Dabei trug sie die Schuld an so vielem. Tariks Verderben. Junis’ Verschwinden. Und wenn diese Nacht vorüber war -
    »Hier entlang«, sagte der Eunuchenjunge und führte sie in ein Gemach aus Säulen und Seide, aus Wasserspielen und schimmerndem Gold. Nur drei Möbelstücke: ein runder Tisch und zwei Stühle. Dampfender Tee. Eine Obstschale. Zwei Kelche mit rubinrotem Wein, von weit her gebracht, vielleicht noch zu Zeiten, als Karawanen die Wüsten bereisten. Vor der Wilden Magie und den Dschinnen.
    Kein Diwan in dieser Kammer. Keine pompöse Kissenlandschaft. Nicht ihre Schönheit war der Grund, aus dem der Kalif sie hier empfing.
    Der Eunuch bat sie höflich, Platz zu nehmen, und zog sich zurück. Er drückte die hohe Tür hinter sich zu. Sabatea war jetzt allein. Der Dampf aus dem Teekrug bildete Schlieren über dem Tisch. Aus kleinen Rauchschalen an den Wänden kräuselte sich der Duft von Lavendel und kostbaren Kräutern. Sie war benommen, seit sie den Palast betreten hatte; der Schwindel, der sie erfasst hatte, als Tarik schreiend zusammenbrach, war seither nicht mehr gewichen. Die Dämpfe in dieser Kammer sollten beruhigend wirken, aber sie erinnerten sie nur an zuhause, an früher, und das machte alles noch schlimmer.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit ihr blieb. Eigentlich hatte sie warten wollen, ein paar Tage vielleicht. Aber sie traute Kahramans Versprechungen nicht. Besser, sie tat schnell, weshalb sie gekommen war. War gehorsam, wie es von ihr erwartet wurde – weil sie wusste, was geschähe, wenn sie es nicht war.
    Die vielen kleinen und größeren Blessuren an ihrem Körper erwiesen sich jetzt als Segen. Mit dem Fingernagel öffnete sie eine Kruste im Nacken, verborgen unter ihrem schwarzen Haar. Keine Flecken auf ihrem weißen Kleid, das war wichtig. Und keine eingerissenen Nagelbetten oder andere verräterische Wunden. Nur ein winziger Kratzer zwischen den Haarwurzeln. Sie presste lange genug, bis ihre Fingerkuppen nass waren von Blut. Dann träufelte sie ein wenig davon in ihren eigenen Kelch und den des Kalifen. Horchte nervös auf Laute vor der Tür oder hinter den Wänden. Nichts. Der Palast hielt den Atem an.
    Rote Tropfen vermischten sich mit dunklem Wein. Sie saugte ihre Fingerspitzen sauber, bis keine Spur mehr zurückblieb. Falls ihr Blut anders schmeckte als das gewöhnlicher Menschen, so kannte sie den Unterschied nicht.
    Dann wartete sie. Der Schwindel wurde schlimmer. Sie musste sich konzentrieren. Musste alle Gedanken allein auf ihre Aufgabe richten. Stattdessen aber dachte sie wieder an Tarik. Hass kam in ihr auf. Hass auf Harun al-Raschid. Auf Khalis, seinen Berater. Hass sogar auf die verhuschten Palastmädchen und den kleinen Eunuchen.
    Schritte vor der Tür. Derjenige, der sich dort näherte, bewegte sich nicht lautlos wie die Dienerschaft.
    Der Kalif trat ein, ohne seine Leibgarde, ohne den alten Mann. Er schloss die Tür hinter sich. Seine Schritte hatten energisch geklungen, aber als sie ihn nun vor sich sah, wirkte er wieder müde und krank. Nur seine Augen schienen zu glühen. Während er näher kam, erkannte sie den Grund: Sie waren blutunterlaufen.
    Er trat an den Tisch und setzte sich. »Sabatea«, sagte er leise.
    »Mein Gebieter.« Sie senkte den Blick.
    Er atmete tief durch, streckte bebende Hände nach dem Teekrug aus und goss erst ihr, dann sich selbst etwas ein. Sabatea starrte auf

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