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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hauptmann erfahren hatte.
    Wenig später eilte er zurück und gab ihnen mit einem Wink zu verstehen, dass der Kalif sie empfangen würde. Sie beide. Tariks Übelkeit wurde für einen Moment so erdrückend, dass er glaubte, keinen Schritt machen zu können.
    Der Hauptmann bemerkte es und schenkte ihm ein verstohlenes Lächeln, das weniger Spott als Mitgefühl signalisierte. Wenn sogar er Mitleid zeigte, dann ließ das nichts Gutes erwarten.
    Weisheit. Güte. Großherzigkeit. Alles Eigenschaften, die Harun al-Raschid nachgesagt wurden. Die Eroberungskriege der Abbasiden lagen lange zurück, in der Zeit vor dem Ausbruch der Wilden Magie, noch vor der Geburt des Mannes auf dem goldenen Thron. Vielleicht war er tatsächlich die Lichtgestalt, von der man sich erzählte. Vielleicht hatte es nichts zu bedeuten, dass er ungerührt das Geschenk seines machtgierigen Statthalters entgegennahm. Ein Geschenk, das lebte und atmete.
    In dessen Adern Schlangengift floss.
    Tarik dachte erschüttert: Ich liebe sie wirklich.
    Gemeinsam mit Sabatea setzte er sich in Bewegung, eskortiert von den Männern der Falkengarde, und trat den langen Weg zum Thron an.

 
Der andere Kalif
 
 
    Sabatea trug die Seidenschärpe noch immer als Schleier über Mund und Nase. Gerade deshalb musste jedem, an dem sie vorüberging, das geisterhafte Weißgrau ihrer Augen auffallen. Erstmals fragte sich Tarik, ob es eine Folge des Gifts war, dem man sie von Kind an ausgesetzt hatte. Auch darauf fand er keine Antwort. Um sich von der erdrückenden Stimmung des Thronsaals abzulenken, zählte er im Kopf die wenigen Dinge auf, die er über Kahramans Vorkosterin gehört hatte.
    Es hieß, dass sie nicht die Erste gewesen war, an der die Alchimisten des Emirs ihre Versuche angestellt hatten. Keiner wusste, wie viele Kinder an den Vergiftungen gestorben waren, ehe sich ein Mädchen als widerstandsfähig genug erwiesen hatte. Waren es zehn gewesen? Oder hundert? Manches wurde in Samarkands Tavernen darüber gemunkelt, und an den langen Abenden verzehnfachten sich die Schätzungen von Stunde zu Stunde, von Weinkrug zu Weinkrug.
    Einig waren sich alle darüber, dass nur ein einzelnes Kind übrig geblieben war. Ob das Blut dieses Mädchens tatsächlich tödlicher war als der Biss einer Viper? Niemand wusste es. Tarik war fast sicher, Sabateas Blut berührt gehabt zu haben. Doch je länger er darüber nachdachte, desto stärker geriet seine Gewissheit ins Wanken. Tatsächlich hatte sie es nie dazu kommen lassen. Sie hatte ihre eigenen Wunden versorgt und war bemüht gewesen, ihn von ihren Verletzungen fernzuhalten. Jetzt kannte er den Grund. Andererseits war es offenbar ungefährlich, mit ihr zu schlafen, sonst hätte sie es kaum zugelassen.
    Die Gerüchte über die Vorkosterin besagten zudem, dass niemand sie je unverschleiert zu Gesicht bekam. Nicht einmal ihr Name war außerhalb des Palastes bekannt. Weit ergiebiger waren da die Spekulationen über das Ausmaß ihrer Fähigkeiten.
    Dass Gift ihr keinen Schaden zufügen konnte, zumindest keinen tödlichen, galt als gesichert. Doch das allein rechtfertigte nicht ihren außerordentlichen Wert für den Emir. Vielmehr besaß sie den Gerüchten zufolge das Talent, jedes Gift schon auf eine Entfernung von wenigen Ellen wittern zu können. Und wenn sie es nicht spüren konnte, dann schmeckte sie es, ohne dass es ihr selbst gefährlich wurde. Es hieß, Kahraman habe seit vielen Jahren keinen Schluck Wasser, keinen Wein, kein noch so winziges Stück Obst zu sich genommen, von dem seine Vorkosterin nicht probiert hatte. Anschläge auf sein Leben hatte es viele gegeben, und manch einen seiner Feinde hatten die Berichte über die legendäre Vorkosterin zu den abenteuerlichsten Giftmischungen verleitet. Keiner von ihnen hatte Erfolg gehabt. Kahraman regierte seit einer Ewigkeit voller Willkür und Grausamkeit über Samarkand. Dass er nun sein kostbarstes Gut, die Sicherheit seines eigenen Lebens, dem Kalifen als Geschenk darbot, war kaum zu unterschätzen.
    Das wusste wohl auch der Herrscher auf dem goldenen Thron und mit ihm all seine Höflinge, Leibdiener und Berater. Nur so war das ehrfurchtsvolle Murmeln und Flüstern zu erklären, das Sabatea durch die Reihen der Anwesenden folgte.
    Harun al-Raschid trug purpurne Gewänder und einen Turban, der mit Pfauenfedern geschmückt war. Sein Gesicht war lang und schmal, die Nase scharf gebogen. Er hatte große dunkle Augen von hypnotischem Glanz, und daran änderte auch die Tatsache

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