Sturmkönige 01 - Dschinnland
Tarik hielt sich außen, während sie nebeneinander eine Runde über den gesamten Kakteenwald zogen. Überall blitzte es hell und diffus zwischen den dichten Pflanzen hervor, Splitter aus Sand und Fels, eingefasst von graugrünen Kaktusarmen. Kein Lebewesen würde das Risiko eingehen, sich an den mörderischen Stacheln das Fleisch von den Knochen zu schälen.
»Ich würde mich gern waschen«, sagte Sabatea, jetzt merklich ruhiger geworden. »Ist das zu gefährlich?«
Tarik war drauf und dran zu widersprechen, aber Junis kam ihm zuvor. »Wir passen auf dich auf.«
Sabatea blickte fragend zu Tarik hinüber. Er zuckte die Achseln, auch wenn er nach wie vor Zweifel hatte. Er wollte es nicht wegen jeder Kleinigkeit auf einen Streit mit Junis ankommen lassen. Sein Bruder schien bemüht, Sabatea einen Gefallen zu tun. Und das Wasser sah tatsächlich ungefährlich aus. Tarik selbst hatte ein Bad mehr als nötig; es kam ihm vor, als knirschten seine Gelenke bei jeder Bewegung vor lauter Wüstenstaub.
Die Kakteen waren bis unmittelbar an das kostbare Wasser herangewachsen, das Ufer vollständig zugewuchert. Vielleicht eine Auswirkung der Wilden Magie auf die Pflanzen. Einst hatte es hier eine Karawanserei gegeben, aber die Stallungen aus Holz und Tuch waren längst verschwunden, begraben unter Stachelleibern.
Tarik überließ es Junis, das Offensichtliche auszusprechen: »Hier können wir nirgends landen.«
Wenn die Teppiche nass wurden, verloren sie ihre Flugkraft, bis sie wieder getrocknet waren. Selbst in dieser Hitze konnte das eine ganze Weile dauern.
Tarik ließ sich bis auf einen halben Meter zur Oberfläche hinabsinken, legte sich flach auf den Bauch und schob einen Lederschlauch am ausgestreckten Arm ins Wasser. Die Sonne hatte es aufgeheizt, aber die Berührung war angenehm.
Junis’ Teppich sank vor ihm herab, bis sie sich auf einer Höhe befanden. Sabatea stellte betont und mit einem knappen Blick zu Tarik die Sanduhr auf. Dann zog sie die Schläuche aus ihrem Korbtornister, reihte sie nebeneinander auf und tauchte den ersten in Wasser. Als die Oberfläche gegen ihr Handgelenk schwappte, seufzte sie leise.
»Du könntest von hier aus hineinsteigen«, sagte Junis, nachdem alle Schläuche gefüllt waren.
Tarik runzelte die Stirn. »Und nass zurück auf den Teppich klettern? Hältst du das für eine gute Idee?«
»Das bisschen Wasser wird ihm nicht schaden.«
Sabateas Blick schwenkte von einem Bruder zum anderen, verharrte dann wieder auf Junis. »Bist du sicher?«
»Nein«, sagte Tarik, »ist er nicht. Weil er noch nie versuchen musste, einen nass gewordenen Teppich zum Fliegen zu bringen.«
Junis schien aufbrausen zu wollen, aber Sabatea kam ihm zuvor. »Das Ufer sieht seicht aus. Ich könnte mich im flachen Wasser abtrocknen, jedenfalls bis zu den Knien.«
Tarik folgte ihrem Blick zu der Wand aus Kakteen. Es passte ihm nicht, dass sie den Pflanzen so nahe kommen würde. Aber ihm fiel auch kein Gegenargument ein, das handfester klang als eine vage Befürchtung. Im Kaktuswald regte sich nichts, der Grund des Gewässers war leer.
»Wie ihr meint«, sagte er nur, als auch Junis ihn mit dieser seltsamen Mischung aus Herausforderung und Erwartung ansah, die er seit ihrem Wiedersehen immer häufiger zur Schau trug.
Sabatea ließ sich nicht zweimal bitten. Sie streifte erst ihr enges Hemd ab, dann die weiße Pluderhose. Splitternackt glitt sie über den Fransenrand des Teppichs ins Wasser. Jede ihrer Bewegungen hatte eine grazile Eleganz, die eher angeboren als anerzogen erschien. Sonderbarerweise fiel es Tarik schwer, sich vorzustellen, dass er mit ihr geschlafen hatte. Als wäre das in jener Nacht am Himmel über Samarkand ein anderes Mädchen gewesen, ebenso schön, aber doch nicht halb so begehrenswert. Er begann allmählich, sie ein wenig zu sehr zu mögen, und das beunruhigte ihn.
Junis starrte sie an, nicht begierig, sondern voller Staunen; wie jemand, der ein Kunstwerk betrachtet, das ihm den Atem raubt. Er ist verliebt, dachte Tarik, und war nicht sicher, ob er dabei Mitleid oder Eifersucht empfand. Am ehesten eine Mischung aus beidem, die ihm das schmerzliche Gefühl gab, dreimal so alt zu sein wie sein Bruder.
Sabatea stand mit dem Rücken zu ihnen im Wasser, tauchte einen Moment lang unter, kam wieder hoch und strich Nässe und Sand aus ihrem langen Haar. »Ihr solltet das auch tun«, rief sie über die Schulter.
»Ja«, knurrte Tarik, »nehmen wir doch in aller Ruhe ein gemeinsames
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