Sturmkönige 01 - Dschinnland
noch dunkel gesprenkelt von Dschinnblut war. Ihr nasses Haar klebte an ihren Wangen, lag schwer auf ihren Schultern. Wasser sickerte unter ihr in das Knüpfwerk des Teppichs.
Junis hatte die Sanduhr verstaut und schob die Hand ins Muster.
»Können wir ihnen noch entkommen?«, fragte Sabatea, während sie das flache Korbbündel unter sich schob, damit es die Feuchtigkeit aufsog und nicht noch mehr davon ins Muster drang.
Tarik antwortete nicht. Er gab Junis mit einem Wink zu verstehen, sofort aufzubrechen. Sein Bruder nickte.
Tarik raste voraus, stieg über den Kakteenwall im Westen. Hastig warf er einen Blick über die linke Schulter auf die Dschinne und das Wesen, das hoch über ihnen schwebte. Aber bevor er Einzelheiten ausmachen konnte, hörte er den wütenden Aufschrei seines Bruders. Viel zu weit weg.
Junis’ Teppich stieg nur langsam und mit schlingernden Bewegungen von der Wasseroberfläche auf. Sabateas Miene war ein einziger Selbstvorwurf; bei einer anderen Gelegenheit hätte Tarik diesen unverhofften neuen Zug an ihr sogar genießen können.
Junis fluchte wüst, aber Tarik rief: »Hör auf damit! Du musst dich konzentrieren! Das bisschen Nässe sollte keine Wirkung auf den Teppich haben. Du musst das Muster davon überzeugen, dass das alles war. Es verweigert den Gehorsam, weil es fürchtet, dass noch mehr Wasser in den Teppich eindringen könnte.«
Sabatea kämpfte sichtlich um ihre Fassung. »Es fürchtet sich? «
Eine aufsässige Welle raste von hinten nach vorn durch den Teppich. Sabatea wäre fast abgeworfen worden und konnte sich gerade noch festhalten. Trotzdem rutschte sie von dem Korb und fiel für einen Moment auf die Seite. Ihr schwarzes Haar klatschte auf das Knüpfwerk. Augenblicklich federte sie wieder hoch, presste zornig die Lippen aufeinander und gab keinen Laut von sich. Tarik merkte ihr an, dass sie drauf und dran war, selbst ins Muster zu greifen. Nicht weil sie glaubte, sie könne etwas vollbringen, an dem Junis zu scheitern drohte; sondern weil sie darauf brannte, irgendetwas beizutragen. Sie fühlte sich schuldig.
»Versuch es weiter!«, rief Tarik seinem Bruder zu und blickte prüfend über den Stachelwall der Kakteen nach Osten.
Zwanzig Dschinne, mindestens. Vier von ihnen hielten Ketten, die schräg nach oben führten und sich an einem Punkt vereinten, zehn Meter über ihren Köpfen. Eine menschliche Gestalt hing dort oben an den vier straff gespannten Eisensträngen wie ein Papierdrachen, so als müsste er ohne sie haltlos davonschweben. Alt, mit schlaffen Hautsäcken, so als wäre der Mann einmal fett gewesen und nun bis auf die Knochen abgemagert; nur dass seine Haut nicht hatte mithalten können und nun leer und faltig von seinen Gliedern hing. Er war nackt und so stark von der Sonne verbrannt, dass der Anblick seines krebsroten, aufgeplatzten Körpers schmerzte. Er schwebte aufrecht dort oben, gehalten von einer breiten Stahlfessel um seine Hüfte, die viel zu eng saß und tief in seine welke Haut einschnitt. Von dort aus führten die vier Ketten zu den Dschinnen herab, die alle auf einer Höhe flogen.
Im Gegensatz zu ihnen hatte die Gestalt an den Ketten Beine, und unter all der sonnenverbrannten, abgehärmten Hässlichkeit steckte das Antlitz eines Menschen. Tarik hatte nie einen Kettenmagier mit eigenen Augen gesehen, aber er kannte Berichte über sie, vor allem aus der Zeit der letzten großen Schlachten am Wall. Sie waren Magier, die sich nach dem Verbot aller Zauberei in Khorasan auf die Seite der Dschinne geschlagen hatten, Überläufer, die eine größere Verwandtschaft zu den Geschöpfen der Wilden Magie verspürten als zu ihren menschlichen Artgenossen. Womit sie nicht gerechnet hatten, war, dass die Dschinne sie nicht wie Helden oder Könige behandelten, sondern wie Werkzeuge. Was genau mit ihnen geschehen war, wusste niemand. Doch alle von ihnen – und man munkelte, es gäbe mindestens ein Dutzend – mussten durch Ketten davon abgehalten werden, hilflos immer höher in den Himmel zu schweben; so, als wäre ihnen das Recht genommen worden, weiterhin einen Fuß auf die Erde zu setzen, die sie in ihrer Selbstsucht verraten hatten.
Der Teppich mit Junis und Sabatea hatte ein wenig an Höhe gewonnen, kreiste aber schlingernd über dem See, statt geradeaus nach Westen zu fliegen. Sabatea hielt sich verbissen an den Rändern fest, während Junis sein Bestes gab, den Teppich auf Kurs zu bringen.
Die Dschinne erreichten den Kaktuswall. Es mussten dieselben
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