Sturmkönige 01 - Dschinnland
sein, deren Nähe Tarik schon früher gespürt hatte, lange vor ihrem Zusammentreffen mit dem Sklavenzug. Dieselben, die schon viel weiter östlich die Spur von Junis und Sabatea aufgenommen hatten.
Junis’ Teppich machte einen abrupten Satz nach vorn wie ein störrisches Pferd und flog dann zum ersten Mal seit Sabateas Rückkehr aus dem Wasser wieder in gerader Linie. Junis stieß einen Freudenruf aus. Sabatea atmete auf. Beiden fehlte nach all dem Geschlinger und Gekreise das Gefühl für die Himmelsrichtung. Darum hatten sie noch nicht erfasst, was Tarik von weiter oben längst erkannt hatte: Ihr Flug führte sie nicht in Sicherheit, sondern nach Osten, den anrückenden Dschinnen entgegen.
»Zurück! Ihr müsst umkehren!«, brüllte er ihnen zu, wartete nicht ab, ob sie ihn gehört hatten, sondern ließ seinen eigenen Teppich nach unten schießen. Die beiden befanden sich noch immer kaum höher als zwei Schritt über dem Wasser. Junis hatte mittlerweile begriffen, dass sie sich in die falsche Richtung bewegten, aber er saß jetzt ganz still da, den linken Unterarm im Muster. Keine Panik mehr. Pure Konzentration.
Und der Teppich gehorchte.
Abrupt flog er einen scharfen Haken, während seine Geschwindigkeit selbst aus dieser Höhe eine Rinne ins Wasser fräste. Tarik stieß erleichtert ein Keuchen aus, lenkte seinen Teppich neben sie und gestikulierte nach Westen. »Dort entlang!«
Junis nickte verbissen. Sabatea wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Der feuchte Glanz darauf war längst kein Wasser mehr. Sie kreuzte Tariks Blick. Ihre Lippen formten ein stummes Tut mir leid. Dabei hatte er Grund genug, wütend auf sich selbst zu sein. Er hätte verhindern müssen, dass sie ins Wasser stieg. Er hätte, statt sie anzustarren, viel früher nach Verfolgern Ausschau halten sollen. Er hätte… eine ganze Menge richtig machen müssen, statt sich zu benehmen wie ein blutiger Anfänger bei seinem ersten Ritt durchs Dschinnland. Junis konnte er solche Missgeschicke verzeihen, erst recht Sabatea. Auf gar keinen Fall aber sich selbst.
Die Dschinne stießen wilde Schreie aus, als sie über die Kakteen hinwegjagten. Der Kettenmagier hoch über ihnen wurde rasend schnell mitgezogen, stand aber aufrecht in der Luft, als gäbe es für ihn keine Gesetze von Geschwindigkeit und Gegenwind. Nur seine ausgebrannten Hautsäcke vibrierten und wehten an den Knochen wie ein zu weit geschnittenes Gewand aus Fleisch.
Die beiden Teppiche hatten einen Vorsprung von nicht einmal hundert Metern. Sie rasten auf das Ufer zu. Junis drohte zurückzufallen, weil sein Teppich zwei Reiter tragen musste. Tarik sah es mit Sorge und konnte doch nichts dagegen tun.
Einer der vorderen Dschinne schwang mit einer Hand ein Fangnetz über dem Kopf, rundum mit Steinen beschwert. Sein langer Arm mit den doppelten Ellbogen ließ das Netz wieder und wieder kreisen. Dann schleuderte er es mit einem wütenden Aufschrei hinter den Flüchtenden her.
Tarik sah es aus dem Augenwinkel kommen, unfassbar schnell und beängstigend gut gezielt. Er brüllte den anderen eine Warnung zu, riss den Teppich nach links und konnte nur hoffen, dass Junis rasch genug reagierte und nach rechts abdrehte.
Sein Bruder versuchte, dem Wurfgeschoss auszuweichen. Beinahe wäre es ihm gelungen. Das Netz erwischte keinen der beiden Reiter, aber die Steine an seinem Saum krachten auf den Rand des Teppichs und warfen ihn aus der Bahn. Das magische Knüpfwerk, ohnehin irritiert von der Nässe und Junis’ beharrlichen Versuchen, es wieder unter Kontrolle zu bringen, geriet ins Trudeln. Statt jedoch abzustürzen, raste es plötzlich steuerlos nach oben, über die Kakteen hinweg, kippte bedrohlich weit zur einen Seite und schon im nächsten Moment zur anderen.
Tarik sah das Unglück kommen. Mit dem Schwert in der Rechten, die Linke im Muster, legte er seinen Teppich in eine scharfe Kurve. Ohne auf die näher kommenden Dschinne zu achten, nahm er nun seinerseits die Verfolgung von Junis’ Teppich auf, blieb aber tiefer als sein Bruder, keine drei Meter über den hochgereckten Kakteenarmen. Abermillionen Stacheln wiesen in seine Richtung, als folgten sie seinem Flug mit den Spitzen.
Sabatea klammerte sich noch verbissener fest. Ihr Korbtornister pendelte lose an einem Riemen um ihre Schulter; sie hatte ihn übergestreift, als das Schaukeln und Schwanken erneut einsetzte. Nun aber drohte die umherwirbelnde Last sie von dem gekippten Teppich zu zerren. Vor allem die prallgefüllten
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