Sturmkönige 01 - Dschinnland
Bad.«
Junis warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, den er mit einem Schulterzucken quittierte. Aber was hatte er anderes erwartet? Tariks eigene Kleidung war steif von getrocknetem Dschinnblut und roch entsetzlich. Seinem Bruder ging es nicht viel besser. Wahrscheinlich empfand Junis seinen Gestank durch die Nähe zu Sabatea um ein Vielfaches schlimmer, und es würde ihm noch weit unangenehmer sein, wenn sie frisch gewaschen auf seinen Teppich zurückkehrte.
»Pass du eine Weile auf sie auf«, sagte Tarik. »Ich schau mich noch mal in der Umgebung um.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er den Teppich höher steigen. Sabatea drehte sich um und warf ihm einen Blick nach, in dem die Sorge stand, er könnte sie zurücklassen. Junis sagte etwas zu ihr. Nicht ohne eine gewisse Genugtuung erkannte Tarik, dass sie das kaum zu beruhigen schien.
»Ich will nur sichergehen, dass uns niemand mehr folgt«, rief er zu ihr hinunter. Da nickte sie und fuhr fort, Wasser über ihre Schultern und Arme zu streichen. Eine Spur zu hastig zwang er sich, den Blick abzuwenden.
In der Nacht in Samarkand hatten sie einander nichts bedeutet. Beide hatten sich keine Mühe gegeben, dem anderen etwas vorzuspielen. Er hatte ausgenutzt, dass sie sich ihm anbot, ganz gleich aus welchen Gründen. Und sie hatte kühl darauf spekuliert, dass ihn das überzeugen würde, sie nach Bagdad zu begleiten. Im Nachhinein erschien es ihm wie ein Duell, bei dem er der Stärkere gewesen war.
Aber was zum Teufel tat er dann hier? Erst jetzt dämmerte ihm, dass sie ihr Ziel natürlich erreicht hatte. Der Stärkere? Ein Narr war er gewesen! Hatte sie Junis wirklich verführt, damit der sie nach Bagdad brachte? Oder nicht doch vielmehr, damit Tarik dies tat? War es möglich, dass sie so weit vorausgeplant hatte?
Er blickte zurück auf ihren hellen Umriss im Wasser. So ungeschützt, so verletzlich. So unglaublich durchtrieben. Gegen seinen Willen musste er lächeln. Das Schlimme aber war, dass er sie deshalb nicht weniger mochte. Ganz im Gegenteil.
Um seinen Kopf wieder klar zu bekommen, flog er höher als nötig gewesen wäre. Bald war der See unter ihm ein schimmernder Klecks Junis’ Teppich erschien als winziges Rechteck, Sabatea als Lichtpunkt auf waberndem Grün. Tarik löste sich vom Anblick der Oase und ließ seinen Blick über die Wüste schweifen. Sie lag in strahlendem Weiß unter der Nachmittagssonne, aller Schatten beraubt, nur von Nuancen aus Ocker durchzogen, die in der Hitze wogten wie ein Ozean.
Weit im Westen meinte er, die blauen Umrisse von Bergen zu sehen, undeutlich im Hitzewabern. Wenn alles gut ging, würden sie ihre nächste Rast im Schatten des Kopet-Dagh einlegen. Damit hätten sie die Hälfte ihrer Reise hinter sich gebracht. Er freute sich auf den Anblick der Berge. Ihre Gipfel waren dieselben wie seit Jahrtausenden, und sie würden sich noch immer dort am Horizont erheben, wenn sich die Dschinne und ihre Kreaturen längst gegenseitig zerfleischt hatten.
Und irgendwo weit, weit dahinter – Bagdad.
Es fiel ihm schwer, seinen Blick von den Verheißungen des Westens zu lösen. Im Augenblick waren sie kaum mehr als eine Illusion, eine Fata Morgana aus den Fiebertiefen der Wüste. Er wandte sich nach Osten. In die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Der Anblick traf ihn wie ein Zusammenstoß mit einem Vogelschwarm. Er war ein Narr. Ein viel größerer, als er hatte wahrhaben wollen.
Da kamen sie. Ein dunkles Wimmeln auf Wüstensand. Noch klein wie Läuse, ganz unscheinbar auf diese Entfernung. Unwirklich flackerten sie aus dem unsichtbaren in den sichtbaren Bereich des Hitzeflimmerns, verglühten wieder und nahmen abermals Form an. Plötzlich sehnte er sich nach Amids Taverne, dem roten Wein von den Hängen des Pamir und den Fußglöckchen der Mädchen von Samarkand – in genau dieser Reihenfolge.
Dunkle Punkte, nur Punkte. Eine Täuschung, vielleicht.
Aber natürlich wusste er es besser.
Mit einem Befehl ins Muster raste er abwärts, zurück in den Schattenfleck des Kaktushügels inmitten der kochenden Karakum.
Sie kamen, und sie kamen schnell.
Und etwas war bei ihnen, das ihn mit abgrundtiefem Entsetzen erfüllte.
Der Kettenmagier
»Beeil dich!«, befahl Tarik grob. »Nun mach schon!«
Sabatea zog sich auf Junis’ Teppich, glitzernde Tropfendiademe auf ihrer nackten Haut. Wortlos raffte sie die schmutzigen Sachen zusammen, schlüpfte im Liegen in die Pluderhose und streifte zuletzt das Oberteil über, das
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