Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Tarik geendet hatte, hob er die Hand und deutete auf einen goldenen Reif an seinem Finger. »Du suchst einen Ring, hast du gesagt.«
»Nicht diesen Ring, oder?«
Der Kaufmann lachte. »Das hier ist nur ein einfaches Schmuckstück. Der Ring, den du suchst, ist nicht aus Gold oder Silber. Er besteht aus Menschen.«
»Dann ist der Ring des Dritten Wunsches eine Vereinigung? Ein Bündnis?«
»Ein geheimer Bund von Männern und Frauen, die betrogen wurden.« Der alte Mann lächelte verschmitzt. »Und zwar um ihre dritten Wünsche.«
Tarik sah sein Gegenüber fragend an, suchte nach Hinweisen darauf, dass sich der Kaufmann über ihn lustig machte. Wieder brodelte Wut in ihm hoch, dieser dumme, alles beherrschende Zorn, den er seit der Reise mit Sabatea und Junis unter Kontrolle geglaubt hatte – bis er vorhin einen Wildfremden zusammengeschlagen hatte.
Betont ruhig sagte er: »Das musst du mir erklären.«
Der Kaufmann streckte seinen Oberkörper und ließ die Fingerknöchel knacken. »Was weißt du über die Ifrit?«
»In den Hängenden Städten bin ich einem von ihnen begegnet. Er und ein Elfenbeinpferd aus dem Dschinnland sind Sabatea und mir bis in die Zagrosberge gefolgt. Der Ifrit hat mit angesehen, wie ich Amaryllis in die Flammen geworfen habe. Offenbar hat ihm das« – er suchte nach dem richtigen Wort, zuckte dann die Achseln – »imponiert. Die Ifrit sind keine Freunde der Dschinnfürsten, wie es scheint.«
»Aber was weißt du über sie?«
»Wenn ihnen der Sinn danach steht, erfüllen sie einem Menschen drei Wünsche. Ein Haufen Gold, Glück mit den Frauen. Einfache Dinge. Jedenfalls erzählt man sich das.«
»Du hast also nie einen Ifrit um die Erfüllung deiner Wünsche gebeten?«
»Nein.« Sechs Jahre lang hatte Tarik nur ein einziger Wunsch beherrscht: zurück durch die Zeit zu gehen und Maryam vor dem Narbennarren zu retten. Aber nicht einmal ein Ifrit hätte ihm das erfüllen können.
»Andere haben sich auf sie eingelassen«, sagte der Kaufmann. »Viele Menschen sind den Lockungen der Ifrit verfallen, und warum auch nicht? Sie verlangen nicht einmal eine Gegenleistung für ihre Gaben. Manche glauben, man könne sie heraufbeschwören wie einen Geist, aber das ist Unsinn. Ganz allein Schicksal und Glück sind der Schlüssel. Erst einmal musst du einem Ifrit begegnen. Dann muss er gut genug aufgelegt sein, um dir deine Wünsche zu erfüllen. Oft aber spielen sie den Menschen viel lieber kindische Streiche. Das bereitet ihnen diebische Freude, und die meisten Menschen mussten eine Menge Albernheiten erdulden, ehe die Ifrit sich ihrer erbarmten. Nur wenn du ihnen einmal das Versprechen abgerungen hast, deine drei Wünsche zu erfüllen, können sie nicht mehr anders. Dann müssen sie tun, was du von ihnen verlangst.« Ein Schatten huschte über die bärtigen Züge des Kaufmanns. »So jedenfalls war es die längste Zeit. Bis offenbar etwas geschehen ist, das die Regeln verändert hat.«
Tarik runzelte die Stirn und wartete ab.
»Ich selbst kenne nur die Gerüchte«, fuhr der alte Mann fort. »All die Jahre über habe ich mein Schicksal selbst in die Hand genommen. Nichts läge mir ferner, als zur Belustigung eines Ifrit stundenlang auf einem Bein zu stehen oder mit Frauenstimme Lieder zu singen, damit er mir noch mehr Gold oder Weiber verschafft.« Das Grinsen des Kaufmanns war ansteckend, aber Tarik nickte nur ungeduldig. »Jedenfalls gab es immer wieder Menschen, die nicht besonders klug in der Wahl ihrer Wünsche waren. Männer und Frauen, die, um sich selbst zu bereichern, Leid über andere gebracht haben.«
Tarik dachte an das blassäugige Mädchen im Bäderdampf, schüttelte das Bild aber gleich wieder ab. Er war nicht hier, um über die Geschäfte des Kaufmanns zu urteilen.
»Ich will dir ein Beispiel nennen, von dem ich gehört habe. Da war ein Händler, hier in Bagdad. Er gehörte zu der Sorte Männer, deren Gelüste denkbar einfallslos sind. Sein erster Wunsch war eine jüngere Frau, und zwar nicht irgendeine, sondern ausgerechnet die fünfzehnjährige Tochter seines Teilhabers. Er hatte sein Begehren kaum ausgesprochen, da kam sie zur Tür herein und warf sich ihm an den Hals. Zufrieden sprach er seinen zweiten Wunsch aus: Er wollte den Anteil ihres Vaters an dem gemeinsamen Geschäft für sich allein haben, und auch dies gewährte ihm der Ifrit. Der Teilhaber eilte auf der Suche nach seiner Tochter ins Haus seines Freundes, sah sie als nackte Gespielin zu seinen Füßen knien –
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