Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
stehen, musterte sie verächtlich und trat dann beiseite.
Sabatea spürte ihre Arme kaum noch, wollte sich aber trotzdem aufrichten, als die andere Frau ihr brutal einen Fuß auf die Brust setzte und sie zurück in den Staub drückte. Der Vogelkäfig schaukelte in ihrer Hand, aber die Nachtigall gab keinen Ton von sich.
»Nun zu dir«, sagte sie hart. »Wer bist du?«
»Ich bin aus dem Palast geflohen.«
»Hierher?«
Sie wissen es nicht!, durchzuckte es sie. Sie kennen den Spalt, aber sie wissen nicht, wohin der unterirdische Gang führt!
»Ich war in den Katakomben unter der Stadt. Es gibt einen Weg vom Palast dort hinunter, und als ich wieder Tageslicht gesehen habe, bin ich unten in… eurem Turm herausgekommen.«
»Sie lügt schon wieder«, murrte Ifranji.
»Nein«, widersprach die ältere Diebin, ohne Sabatea aus den Augen zu lassen. »Tut sie nicht.«
»Woher willst du das -« Ifranji brach ab, als ihr die Wahrheit dämmerte. »Es gibt da unten eine Verbindung zum Palast? Du hast das gewusst?«
Die Frau nickte. »Du wärst längst tot, wenn ich dir davon erzählt hätte. Weil du nie nachdenkst, bevor du etwas tust. Entweder hätte dich die Garde erwischt, oder du hättest sie geradewegs ins Lager geführt.«
Ifranji machte einen zornigen Schritt auf die ältere Diebin zu, das Messer noch immer in der Hand, aber diesmal war es Nachtgesicht, der sie zurückhielt. »Nein«, sagte er nur und klang plötzlich überhaupt nicht mehr unbeholfen. Zu Sabateas Erstaunen gehorchte seine Schwester, zog sich zurück und schmollte.
»Mein Name ist Athiir«, sagte die grauhaarige Diebin zu Sabatea, ohne den Fuß von ihrem Brustbein zu nehmen. »Ich bin die älteste unter den Schwestern der Pfauen.«
»Nicht die Anführerin«, zischte Ifranji.
»Nicht ihre Anführerin«, bestätigte Athiir gelassen. »Das Wort eines jeden hier wiegt gleich schwer. Wir werden abstimmen, was mit dir geschehen soll.«
Sabatea funkelte die Diebin düster an, sagte aber nichts. Sie hob nur den Kopf und blickte an Athiir vorbei zu den übrigen Frauen, die sich gemeinsam mit ihr auf den engen Hinterhof gedrängt hatten. Sie zählte fünf, kaum eine älter als Ifranji, eine gar noch ein Kind. Alle waren in Männerhosen und Hemden gekleidet, manche trugen Stirnbänder, breite Armreife aus Leder und hoch geschnürtes Schuhwerk. Sie waren mit Dolchen bewaffnet und hatten prallvolle Bündel geschultert. In diesem Teil Bagdads schien das kein Aufsehen zu erregen.
Athiir nahm nun doch den Fuß von ihrem Oberkörper. »Nicht aufstehen«, sagte sie drohend, aber Sabatea stemmte sich bereits auf die Knie.
»Wenn ich sterben soll, dann sicher nicht zu deinen Füßen«, gab sie zurück und erhob sich. Ihr umgeknickter Knöchel tat noch weh, ließ sich aber belasten. Falls sie in ein paar Stunden noch lebte, würde der Schmerz verschwunden sein.
Ifranji wollte erneut vorpreschen, und wieder hielt Nachtgesicht sie zurück. Diesmal nur mit einem angedeuteten Kopfschütteln. Die junge Diebin blieb stehen und stieß ein erbostes Schnaufen aus.
Athiir packte Sabateas Kinn mit Daumen und Zeigefinger. Ihre Augen funkelten gereizt. »Wie heißt du?«
»Sabatea.«
»Und du gehörst keiner der anderen Gilden an?«
»Nein.«
»Was bist du dann? Eine Sklavin? Ein Haremsmädchen des Kalifen?«
»Jeder weiß«, rief eine der anderen Frauen, »dass der Kalif keine Verwendung mehr für Weiber hat.« Sie saugte die Wangen ein und tat ihr Bestes, einen abgemagerten Kranken darzustellen. Einige der Übrigen lachten.
Athiir ließ Sabatea los und wirbelte herum. »Harun al-Raschid ist noch immer der Kalif – auch unserer! Also halt dich zurück!«
Nachtgesicht trat neben Sabatea und flüsterte: »Vor Jahren hat er Athiir mal begnadigt.«
Die Diebin schenkte ihm einen strafenden Blick, stemmte die Hände in die Hüften und fragte in die Runde: »Wer ist der Meinung, dass sie lügt und sterben soll?« Ifranjis Hand zuckte als Erste nach oben, aber Athiir war noch nicht fertig: »Und wer denkt, dass wir einer Frau, die allein aus dem Palast entflohen ist, vertrauen können?«
Sabatea kochte vor Wut über die Leichtfertigkeit, mit der über ihr Schicksal entschieden wurde. Ihr Zorn erstickte sogar die Sorge um ihr Leben.
»Also«, sagte Athiir. »Tod?«
Ifranjis Hand blieb oben. Die jüngste zwischen den anderen Frauen meldete sich ebenfalls. »Ich mag ihre Stiefel«, murmelte sie mit einem Blick auf Sabateas Füße. Noch eine dritte Diebin hob die Hand. Die
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