Sturmkönige 03 - Glutsand
böses Funkeln. »Das weiß ich, Emirstochter. Deine Sorge ist herzergreifend.«
Tarik dachte an Maryams Leiche und versuchte herauszufinden, ob und wie sehr es ihn berühren würde, wenn sie ihre letzte Ruhe im Schlund irgendeines Sandungetüms fände. Er fand keine Antwort darauf, denn er konnte seinen Blick jetzt nicht mehr von der riesigen Silhouette unter dem Glas abwenden.
»Fünfzig Mannslängen, würde ich sagen«, korrigierte Nachtgesicht seine erste Schätzung. »Wir sollten noch höher gehen.«
Sie stiegen weiter. Khalis fluchte schon nach wenigen Augenblicken. »Der Schrein ist zu schwer. Das Muster weigert sich, höher zu fliegen.«
Ifranji blickte mitleidlos auf den alten Mann hinab. Sie und Nachtgesicht schwebten gut zwanzig Schritt über ihm. Ihre zahllosen Zöpfe wirbelten im Gegenwind um ihr teerschwarzes Koboldgesicht. Sie wollte etwas erwidern, aber Tarik kam ihr zuvor.
»Noch scheint es sich damit zufriedenzugeben, uns zu beobachten«, sagte Tarik. Das war eine offensichtliche Feststellung und den Atem nicht wert, den sie ihn kostete. Aber er wollte verhindern, dass Ifranji einen erneuten Eklat provozierte.
»Oh«, entgegnete der Magier zynisch, »dann war ich wohl etwas vorschnell mit meiner Sorge.«
Sabatea deutete nach unten. »Eher nicht.«
Einen Moment lang war das Ding unter dem Glas verschwunden, und nun erkannten sie alle, weshalb: Es war hinab in die tieferen Regionen der Sandsee getaucht, um Schwung für eine steile Attacke nach oben zu holen. Wie ein Rammbock stieß der Koloss genau unter ihnen mit dem Vorderende gegen das Glas.
Die ganze Welt erbebte. Ein Klirren, das ihre Trommelfelle vibrieren und ihre Zähne schmerzen ließ, hallte über die Ebene. Im Umkreis von einigen hundert Metern gerieten die kristallinen Strukturen der Glasgebilde in Schwingung und erzeugten ein helles, nachhallendes Klingen, das wie geisterhaftes Weinen in den Himmel aufstieg. Mehrere der verästelten Glastürme barsten, sanken in sich zusammen und zerschellten am Boden in Millionen und Abermillionen funkelnder Scherben. Splitterwolken ballten sich um die Stellen, an denen die Gebilde aufschlugen. Wie Kristalldolche prallten einzelne Fragmente von der Oberfläche ab und flogen in alle Richtungen, auch himmelwärts. Aber kein Splitter schaffte mehr als die halbe Strecke bis zu Khalis, dem niedrigsten der Teppichreiter.
Unmittelbar nach dem Stoß gegen die Glasoberfläche stimmte die Kreatur einen gedehnten Wutschrei an, eine Furcht einflößende Mischung aus Stiergebrüll und dem Kampfruf einer Dschinnarmee. Wo es mit aller Macht gegen das Glas gerammt war, hatte sich ein sternförmiges Muster aus Rissen gebildet. Aber der Boden hielt stand, und das Wesen verlegte sich erneut darauf, den Menschen durch die oberen Sandschichten nach Süden zu folgen.
Sabatea schob das Kinn über Tariks Schulter. »Allzu oft wird es das nicht durchhalten, ohne sich selbst den Schädel einzuschlagen.«
»Vielleicht muss es das auch gar nicht.« Er deutete nach vorn, wo eine gezackte Klamm durch das Glas schnitt, offenbar ein Riss, der von einer noch heftigeren Erschütterung hervorgerufen worden war. Wie ein Flussdelta führten mehrere dieser Kerben immer näher aufeinander zu, ehe sie sich irgendwo weiter südlich vereinigten. Es war nicht schwer, sich auszurechnen, dass der Boden dort instabil sein musste.
»Nie im Leben ist es Zufall, dass dieses Ding ausgerechnet hier Jagd auf uns macht«, sagte Sabatea.
»Wir könnten versuchen, den Rissen auszuweichen«, überlegte er laut, erkannte aber durch das Hitzeflirren, dass das Land im Westen und Osten ebenso zerfurcht war wie im Süden.
Sabatea deutete nach vorn. »Das Pferd fliegt weiter geradeaus, über die Risse hinweg.«
Er fluchte, als er den hellen Punkt hoch über den Schrunden und Kerben entdeckte.
»Sieht nicht so aus, als hätten wir eine Wahl«, rief Nachtgesicht herüber. Im Gegenwind schien sich das Gewand an seinen gewaltigen Körpermassen festzusaugen. Seine Schwester hielt sich in Erwartung hektischer Flugmanöver von hinten an ihm fest; sie musste beide Arme weit spreizen und kam dennoch kaum um seinen breiten Rücken herum.
Tarik blickte zum Ifritjäger hinüber. »Almarik?«
Der Byzantiner nickte. »Versuchen wir’s.« Und zu dem Magier sagte er: »Wenn es angreift, werde ich versuchen, es abzulenken.«
Khalis nickte wortlos.
»Wir wär’s mit einem Zauber?«, rief Ifranji ihm zu. »Wer Gewitter teilt, wird wohl mit einem Vieh wie dem da
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