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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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war, hatte man die Schuld daran dem Emir gegeben. Kahramans Ende durch das Messer eines Spions wurde nachträglich zur Hinrichtung erklärt. Auch seine Berater und hochgestellten Höflinge waren abgeurteilt worden, und so hatte das letzte Blut, das die Mauerhaken für lange Zeit trinken sollten, ausgerechnet jenen Männern gehört, die so viele andere zum gleichen Schicksal verdammt hatten.
    Tarik lenkte den Teppich über die Stadtmauer und spürte, wie sich Sabatea in seinem Rücken versteifte. Niemand in Samarkand kannte ihr Gesicht und ihren Namen; die Vorkosterin, in deren Adern einst Schlangengift geflossen war, war das bestgehütete Geheimnis des Emirs gewesen. Nach ihrem Aufbruch hatte Kahraman alle Mitwisser beseitigen lassen, auch die wenigen Diener, die ihr von Angesicht zu Angesicht begegnet waren.
    Nur einen einzigen Menschen gab es noch in der Stadt, der wusste, wer sie war. Eine Frau, die Kahraman als Faustpfand für Sabateas Gehorsam in seinen Verliesen eingekerkert hatte. Harun hatte versprochen, nach dem Tod des Emirs für ihre Freilassung zu sorgen.
    Alabasda, Sabateas Mutter.
    Der Teppich senkte sich hinab in die verwinkelten Gassen des Qastal-Viertels, Samarkands Bezirk der verbotenen Freuden und finsteren Absichten. Auf jede Dirne, jedes Tanzmädchen und jeden Halsabschneider in den Hinterhöfen kam einer, der gegen Geld geheimes Wissen anbot. Noch vor Monaten waren das Kenntnisse über nächtliche Teppichrennen, geschmuggelte Ware und die besten Hurenhäuser der Stadt gewesen. Heute verdienten einige dieser Männer ihren Lebensunterhalt mit Gerüchten über das, was zu Kahramans Zeiten hinter den Mauern des Palastes vorgegangen war. Einige verkauften nichts als genüssliche Geschichten über Dekadenz und Verdorbenheit, andere besaßen echtes Wissen: ehemalige Diener und Kerkerknechte, sogar der ein oder andere Höfling, der mit Ruß im Gesicht und ein paar Wunden am Körper den Häschern der neuen Machthaber entkommen war.
    Hier im Qastal-Viertel, bei einem dieser Verkäufer von Namen und Schicksalen, erfuhren sie, dass Alabasda überlebt hatte. Und wo sie zu finden war.
    Sabateas Mutter war ihr Leben lang eine Konkubine Kahramans gewesen, und sie hatte das Schicksal ihrer Tochter geduldet, solange es ihr eigenes Wohlergehen am Hof des Emirs gesichert hatte. Sabatea verurteilte sie nicht. Sie selbst hatte früh gelernt, andere zu manipulieren, und wenn Worte nicht geholfen hatten, hatte sie ihren Körper eingesetzt, um ans Ziel zu gelangen. Es kam ihr falsch vor, ihrer Mutter deswegen Vorwürfe zu machen.
    Tarik erwartete das Schlimmste, als sie in Erfahrung brachten, dass Alabasda nicht weit entfernt im Viertel der Bleicher, Färber und Tuchhändler untergekommen war. Tatsächlich wäre es ihm lieber gewesen, sie in einer der Qastal-Spelunken aufzustöbern; wenn Alabasda auch nur ein wenig von Sabatea an sich hatte, dann war ihr zuzutrauen, selbst hier ihre Würde zu bewahren.
    Anders in den Säurehöllen der Bleichhäuser. Eine Hofdame des Emirs konnte dort nicht lange überleben, ganz gleich, was sie im Verlies hatte durchmachen müssen.
    Noch vor Mitternacht fanden sie die Gasse, die man ihnen genannt hatte. Sie fragten nicht nach einem Namen, sondern nach einer Frau mit gepflegten Händen – wie immer Alabasda sich auch nennen mochte, auffallen würden den Menschen hier nur die verräterischen Zeichen ihrer Herkunft.
    Sie wanderten durch Schwaden von Säuredämpfen, vorüber an Reihen von Becken, in denen Kinder hüfthoch in giftigem Wasser standen. Niemand hier kannte die Frau.
    Am Ende ihres dritten Tages in Samarkand fanden sie Alabasda schließlich nicht im brodelnden Dunst der Werkstätten, sondern im Haus eines reichen Kaufmanns. Nach ihrer Freilassung hatte sie keine zwei Wochen gebraucht, um einem der Tuchhändler den Kopf zu verdrehen. Nach einem Monat lebte sie in seinem Harem, und in der sechsten Woche war sie seine Frau geworden.
    Spätabends saßen Sabatea und sie sich auf einem prachtvollen Diwan gegenüber und schwiegen. Tarik überließ es ihnen, nach den richtigen Worten zu suchen, und machte sich auf den Weg zu Amids Taverne.
    Er setzte sich ans selbe Fenster, vor dem er einst die falsche Vorkosterin hatte vorüberziehen sehen, hinaus ins Dschinnland und in ihr Verderben. Er plauderte mit Amid, trank den gestreckten Wein von den Pamirhängen und sah den Tanzmädchen zu, wie sie die Glöckchen an ihren Knöcheln erklingen ließen. Jemand machte einen Scherz über seine

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