Sturmkönige 03 - Glutsand
mal du weißt das.«
»Möglich, dass sie miteinander gesprochen haben, ohne dass ich es gemerkt habe. Und dass sie eine Art Pakt geschlossen haben.«
Eine Stimme im Fauchen des Gegenwinds ließ beide aufschrecken.
»Ihr seid also auch schon darauf gekommen«, sagte Nachtgesicht, der seinen Teppich schon vor einer Weile hinter sie gelenkt haben musste und nun an ihre Seite glitt. »Wenn man darüber nachdenkt, liegt es fast auf der Hand, oder?«
Ifranji grinste Tarik an, eine Spur zu kalt. »Ich hätte dich umbringen sollen, damals, als alles noch ganz einfach war.« In einer spielerischen Geste führte sie einen Finger über ihre Kehle. »Bei Allah, ich hätte dich wirklich töten sollen.«
Glasbruch
Etwas lebte unter dem Glas.
Erst hörten sie es nur, aufgeschreckt im Dunkel der Nacht. Ein monströses Schleifen und Rauschen unter ihren Teppichen während der Ruhepausen. Erschütterungen des steinharten Bodens, die ein scheußliches Knirschen erzeugten wie von Glassplittern unter einem Wagenrad. Ein rhythmisches Pumpen in der Dunkelheit, der Schlag eines gigantischen Herzens, begleitet von einem feinen Vibrieren, das Tarik nur am Zittern des Sands in der Uhr erkannte.
Das Mondlicht funkelte auf dem Glas, floss weich über geschmolzene Buckel, millionenfach reflektiert von feinen Graten und Rissen im Untergrund. Tarik und die anderen hielten Ausschau nach Silhouetten vor dem Horizont, mächtigen Formen, die sich bewegten, womöglich näher kamen. Aber alles, was sie sahen, waren die strähnigen Auswüchse überall um sie herum. Verzweigte, turmhohe Glaskorallen wie Gerippe verendeter Riesentiere.
Das Elfenbeinpferd scheute, als sich die Laute wiederholten; wahrscheinlich hatte es die Erschütterungen bereits viel früher wahrgenommen als die Menschen. Sabatea eilte zu ihm, um es zu beruhigen. Das Zauberpferd aber stellte sich wiehernd auf die Hinterläufe, schlug heftig mit den Schwingen und stieß sich vom Glasboden ab. Mit wenigen Flügelschlägen stieg es in den Himmel auf, während Tarik und die anderen fluchend auf die Teppiche sprangen und ihm folgten. Khalis war der Letzte, der sich vom Boden löste; je schneller und steiler er aufsteigen wollte, desto mehr behinderte ihn die schwere Last des Honigschreins.
Alle waren froh, wieder in der Luft zu sein. Aber erst am Morgen erkannten sie, woher die Laute und Erschütterungen rührten.
»Zarathustras Flamme!«, fluchte Sabatea zwischen zusammengebissenen Zähnen. Tarik sagte nichts. Starrte nur über den Rand des Teppichs in die Tiefe, wo die Strahlen der Morgensonne wie Irrlichter über die Oberfläche flirrten.
Unter dem Glas folgte ihnen ein gewaltiger Umriss. Bisher hatte Tarik sich keine Gedanken darüber gemacht, wie dick die Glasschicht sein mochte. Jetzt aber hoffte er inständig, dass sie stabil genug war, um das Ding dort unten aufzuhalten.
Dass es sie beobachtete, stand außer Zweifel. Sie stiegen noch höher hinauf, über hundert Meter, aber das Wesen verfolgte sie weiterhin, als könne es mühelos durch das Glas zu ihnen heraufsehen. Dabei war die Fläche alles andere als klar. Wie eine grünliche Eisdecke lag sie über dem Sand und war von solch groben Schlieren durchzogen, dass Tarik die Kreatur dort unten nur durch ihre schlängelnden Bewegungen wahrnahm. Einzelheiten waren keine zu erkennen. Umso erstaunlicher, dass das Wesen ihnen auch dann noch folgte, als er die anderen aufforderte, eine Reihe verwirrender Haken zu schlagen. Das Ding vollzog jede ihrer Kursänderungen nach, erstaunlich schnell für seine Größe.
»Mindestens zwanzig Mannslängen«, rief Nachtgesicht herüber. »Vielleicht dreißig.«
Tarik blinzelte in die grelle Morgensonne, als er zum Teppich der Geschwister hinüberblickte. »Weißt du, was das sein könnte?«
Der Afrikaner schüttelte den Kopf. »Wilde Magie«, erwiderte er nur, die einzige Erklärung, die jedem auf Anhieb einleuchten musste.
»Gut, dass wir einen so fähigen Führer bei uns haben«, höhnte Almarik.
Wie zu erwarten, explodierte Ifranji sofort, ungeachtet des Titanen tief unter ihnen. »Ohne die Wasserstellen, die mein Bruder ausgekundschaftet hat, wärst du längst verdurstet, Ifritjäger!«
Khalis gab seinem Leibwächter einen ungeduldigen Wink. »Nicht jetzt, Almarik. Wenn dieses Biest uns angreift, wird es -«
»Sich zuerst den Langsamsten von uns vornehmen«, stellte Sabatea fest. »Den, der das größte Gewicht auf seinem Teppich trägt.«
Khalis schenkte ihr ein
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