Sturmkönige 03 - Glutsand
unten fertigwerden.«
Der Magier würdigte sie keiner Antwort. Sabatea lachte leise. Regenbögen würden sie nicht allzu weit bringen.
Sie erreichten die Ausläufer der verzweigten Risse im Glas: Schluchten mit grün schimmernden Steilwänden, messerscharfen Kanten und Geröll aus Scherben. Einige Bruchstücke hatten sich an den Rändern übereinandergeschoben. Sie waren zwanzig, dreißig Meter dick, schätzte Tarik, entdeckte aber auch, dass die Auswirkungen der Sandschmelze nicht überall gleich stark gewesen waren. Einige Schollen waren dünner, andere dagegen massiver.
»Was ist hier passiert?«, murmelte Sabatea.
»Ein Erdbeben?«, schlug Ifranji halbherzig vor. Sie hatte lauter gesprochen als Sabatea, und augenblicklich hallte ihre Stimme von den Bruchkanten wider, echote durch gezackte Klüfte und wurde von spiegelglatten Oberflächen zurückgeworfen.
Das Ungetüm folgte ihnen weiterhin, obwohl das geborstene Glas den Blick nach oben auf die vier Teppiche verzerren musste. Es war genau unter ihnen und wurde von den Oberflächen und Rissen in verwinkelte Scherben zersplittert, die sich in atemberaubenden Mustern wieder und wieder zusammensetzten. Nur eine Täuschung, aber plötzlich war Tarik nicht mehr sicher, ob das da unten wirklich nur ein einziger Verfolger war oder nicht doch ein ganzes Rudel.
»Wie soll es jetzt weitergehen?«, rief Ifranji.
Wieder hallten die Worte vielstimmig aus den gläsernen Spalten zurück.
»Es lässt sich nicht abhängen«, knurrte Tarik und horchte vergeblich auf die Häme des Narbennarren. Amaryllis schwieg und wartete ab. Falls Tarik etwas zustieß, würde auch er Skarabapur nicht wiedersehen.
Tarik fragte sich gerade, warum er das dachte – wiedersehen, als wüsste er mit Bestimmtheit, dass Amaryllis schon dort gewesen war –, als das Biest im Boden zu einem neuerlichen Angriff ansetzte.
Die lang gestreckte Silhouette schien auf den unregelmäßigen Oberflächen der Bruchstücke in Dutzende Splitter zu zerplatzen, zog sich dann blitzschnell zu einem einzigen dunklen Fleck zusammen und rammte im nächsten Augenblick gegen die Unterseite der Glaswüste. Diesmal waren die Laute der Kollision mit der Oberfläche noch schriller und durchdringender. Die Schallwelle traf die vier Teppiche wie eine Sturmbö. Gewaltige Scherbenkanten schabten aneinander, zersplitterten an den Rändern, trugen tiefe Kratzer und Furchen davon. Von einer Glasscholle, die schräger stand als die meisten anderen, brach ein gigantisches Bruchstück ab, rutschte in die Tiefe und zerbarst auf der tiefer gelegenen Oberfläche.
Die Kreatur brüllte zornig auf, als ihr auch diesmal kein Durchbruch gelang. Aber sie schlängelte sich unverzüglich weiter unter den Teppichreitern dahin, auf der Suche nach einer Stelle, an der die Glasdecke dünner war.
»Da vorn!«, rief Sabatea und deutete an Tarik vorbei nach Süden. »Seht ihr das?«
Tarik blinzelte mit seinem einen Auge, entdeckte aber nur weitere Buckel und Grate der Glaswüste. In der Ferne zerflossen sie im Übergang zum rötlichen Morgenhimmel in einem diffusen Nebel, den womöglich nur er wahrnahm. Wurde seine Sehkraft noch immer schwächer?
»Ein See«, sagte Khalis.
»Ein Loch«, stellte Nachtgesicht fest. »Ein riesiges Loch im Glas.«
Jetzt erkannte Tarik es auch. Ein unregelmäßiger Fleck aus hellem Sand, einige hundert Meter breit. Er hob sich hell, fast weiß von der grünen Glaseinöde und den rötlichen Lichtspiegelungen ab. Die vier Teppiche rasten genau darauf zu, während der Koloss in der Tiefe noch einmal schneller wurde, um vor ihnen dort anzukommen.
Tarik schoss durch den Kopf, dass dies die Stelle sein musste, an der die Dschinne ihre fliegende Glasscholle aus dem Boden gebrochen hatten; das Stück, das hier fehlte, hatten er und die anderen erst vor kurzem über sich hinwegschweben sehen.
Das Elfenbeinpferd flog unbekümmert geradeaus, überquerte die Grube im Galopp und hatte fast die andere Seite erreicht, ehe die Teppichreiter reagieren konnten.
Ihre Flüche hallten von den Glaskanten wider, während sie alle versuchten, die Teppiche herumzureißen. Almariks Knüpfwerk ballte sich für die Dauer eines Lidschlags zu etwas Klobigem, faltete sich aber gleich wieder auseinander. Der Byzantiner riss den Teppich nach links und flog als Erster parallel zum Rand des Lochs nach Osten. Sabatea keuchte auf, als sie von dem scharfen Ruck, der durchs Knüpfwerk fuhr, noch fester gegen Tarik gepresst wurde. Auch den
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