Sturmkönige 03 - Glutsand
rückt ein Dschinnheer heran, und ein anderes von Osten. Nicht mehr lange, dann werden die Ersten von ihnen hier sein.«
Junis hob den Kopf, als wollte er etwas erwidern. Dann aber ließ er ihn gleich wieder sinken, verfiel zurück in diese bedrückende Starre, die sich nicht nur seiner, sondern ihrer aller bemächtigt hatte. Selbst Khalis und die Geschwister Nachtgesicht und Ifranji rührten sich nicht.
Das Wadi, in dem sie sich befanden, mäanderte verzweigt in westliche Richtung, wo in der Ferne der Tigris als silbriges Band durch die Wüste schnitt. Darüber flirrte die Luft wie geschmolzenes Glas.
Von ihren Teppichen aus hatten sie noch etwas gesehen: Klauenabdrücke eines Riesenvogels, der vor Jahren einmal diesen Weg genommen hatte. Dreigliedrig, mit einem vierten Sporn an der Ferse, jeder Abdruck so groß wie ein Pferd. Die Wüstenglut hatte sie ausgehärtet. Die Spur führte weiter nach Osten, zu einem Haufen aus Felsbrocken und daran vorüber in Richtung der Berge.
»Ich werde dich nicht mit ihr hierlassen«, sagte Tarik bestimmt. Er löste seine Hand vorsichtig aus Sabateas Griff, umrundete den Leichnam und ging vor Junis in die Hocke. Er war sichtlich bemüht, nicht in Maryams starres Gesicht zu blicken, in das Gesicht jener Frau, die er selbst einmal geliebt hatte. »Du kannst später um sie trauern. Jetzt ist keine Zeit dazu.«
Junis blickte zu ihm auf. Sabatea konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er klang müde und verbittert. »Trauerst du um sie?«
Tariks Züge bebten, vielleicht nur Sonnenreflexe auf seiner schweißnassen Haut. Er suchte nach Worten, die seinen Bruder, vor allem aber ihn selbst zufrieden stellen würden, und musste doch wissen, dass es eine solche Antwort nicht geben konnte, denn egal, was er sagte -
»Sie kommen!«
Almariks Ruf erklang vom Himmel herab. Dann schoss auch schon er selbst auf seinem Teppich zu ihnen in die Tiefe.
Sabatea sah, dass Tarik scharf ausatmete. Als wäre er erleichtert, dass er Junis die Erwiderung schuldig bleiben konnte. »Wir kommen nicht mehr rechtzeitig von hier fort«, knurrte er.
Sein Bruder kniete noch immer am Boden und regte sich nicht.
Das Elfenbeinpferd spreizte seine Flügel und stieg in den Wüstenhimmel auf.
Almariks Teppich schwebte jetzt auf Höhe ihrer Gesichter. »Hier gibt es nirgends ein Versteck«, stellte er fest.
»Doch«, sagte Sabatea. »Es gibt eines.«
Aufmarsch
Das Nest des Riesenvogels füllte eine Senke im Wüstensand: ein Ring aus Felsbrocken, zerkleinert zwischen mächtigen Schnabelkiefern, aufgeschichtet zu einem meterhohen Wall. Es war seit vielen Jahren verlassen. Buschwerk und Federn, die es einst gepolstert hatten, waren längst verrottet, ihre Reste von heißen Winden über die Einöde verstreut worden.
Tarik schob seine Augenklappe zurecht, während er aus dem Nest über den Felswall hinaus in die Wüste blickte. Sein Schweiß machte das Leder rutschig. Er musste noch sorgfältiger als sonst darauf achten, dass kein Sonnenlicht in das Auge darunter fiel.
Keine fünfhundert Meter entfernt passierte eine Heerschar Dschinne die verzweigten Ausläufer des Wadis.
Neben Tarik pressten sich Sabatea und Almarik an die kantigen Steinbrocken und starrten angespannt zum fliegenden Schwarm der Dschinne hinüber. Die vier anderen kauerten unten am Boden des Vogelnests und warteten darauf, dass Tarik Entwarnung signalisierte.
Er war beinahe froh über das Auftauchen der Dschinne. Sie lenkten ihn ab von Maryam und dem, was mit ihr passiert war. Ein Grund mehr, nicht mehr in das Gesicht von Junis sehen zu müssen, nicht die Qual darin zu lesen.
Sabatea strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haars aus der Stirn. Sie schwitzte, und das nicht allein von der Wüstenhitze.
»Das sind nur Kundschafter«, flüsterte Almarik. Der Byzantiner hatte endlich seinen schwarzen Helm mit dem Schleier aus feinem Kettengewebe abgesetzt. Bei dieser Hitze genügte schon der Anblick des dunklen Metalls, um die Übrigen nervös zu machen. Sein lockiges dunkles Haar fiel glitzernd über das schwarze Kettenhemd. Immerhin schwitzte er wie alle anderen. Tarik war sicher, dass er genauso bluten würde, wenn er ihm erst sein Schwert in den Leib stieß.
Er hatte einen Eid geschworen, Almarik zu töten. Und er würde diesen Schwur erfüllen. Tariks Ehrgefühl war zu lange abgestorben gewesen, um es jetzt, nachdem so etwas wie ein Schatten davon zurückgekehrt war, erneut aufs Spiel zu setzen.
Nicht zum ersten Mal fragte er
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