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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Reiter abzuwerfen.
    Trotzdem schafften sie es nicht. Der Teppich wurde herumgeschleudert und aus der Horizontalen in eine steile Schräge gekippt. Sabatea verlor den Halt, taumelte von Tarik fort, nur noch eine Hand in seine Kleidung gekrallt, die strampelnden Beine über dem Abgrund. Sand schlug von der Seite gegen den Teppich wie eine solide Wand, rammte sie zwei, drei Mal hintereinander, und dann spürte Tarik ihren Griff nicht mehr. Sabatea war fort, nicht mehr hinter ihm, irgendwo in diesem Abgrund aus wogendem Staub verschwunden.
    Ein Schatten schoss durch die Sandwolken heran, kein Teppich, sondern ein pechschwarzer Riesensperber mit ausgestreckten Klauen, der Tarik von dem tobenden Teppich riss – das Muster schrie und schrie in seinen Gedanken – und mit der anderen Kralle Sabatea packte, bevor sie am gläsernen Boden aufschlagen konnte. Der Sperber pflückte sie beide aus dem wirbelnden Chaos, blieb dabei verschwommen und schattenhaft, solide und zugleich wie ein Geist, nicht zu erfassen mit Tariks Auge. Selbst die Berührung seiner Klaue fühlte sich seltsam an, wie geträumt statt erlebt.
    Der schwarze Sperber trug sie aus den Schwaden der Staubflut, schwebte hinaus ins Sonnenlicht und setzte sie sanft auf dem Glas ab. Als Tarik aufschaute, sah er einen Wirbel aus dunklen Bahnen, ganz kurz das stilisierte Abbild eines Vogels, dann einen fliegenden Teppich, lang gestreckt auf den Lüften, und das Gesicht des Byzantiners, der über wehende Fransen auf sie herabsah und lächelte.

 
Der Abgrund
     
     
    »Hier«, sagte Nachtgesicht und ließ Tariks eingerollten Teppich zu Boden fallen. »Ifranji hat ihn gefunden, ein Stück weiter westlich, zwischen den Glashügeln da vorn.«
    Tarik massierte seinen schmerzenden Nacken, nickte Nachtgesicht dankbar zu und suchte das dunkelhäutige Mädchen. Ifranji stand ein Stück abseits, kreuzte seinen Blick mit einem Schulterzucken und versuchte zu ignorieren, dass er ihr zulächelte. Erst nach kurzem Zögern hoben sich auch ihre Mundwinkel, ganz kurz nur, als wollte sie nicht wahrhaben, dass für einen Moment so etwas wie Freundlichkeit zwischen ihnen entstehen könnte.
    »Das war nichts«, rief sie ihm zu, wandte sich ab und tat, als hätte sie anderswo etwas ungeheuer Wichtiges zu tun.
    Nachtgesicht kratzte sich verlegen am Hinterkopf und folgte seiner Schwester. Tarik beobachtete, wie die beiden zum Rand des Glasbruchs schlenderten, um einen Blick auf den Kadaver in der Grube zu werfen.
    Sabatea saß neben Tarik auf einem Glasbuckel und tippte mit der Fußspitze gegen den Teppich. Er entrollte sich, als hätte er nur auf ihre Aufforderung gewartet. Weißer Staub hing im Knüpfwerk, durchdrang das verschlungene Muster und stob als feiner Dunst auf, als sich die Fransenränder flach an den Boden schmiegten.
    Tarik stand auf und ergriff die Sanduhr. Sein Bündel war als Erstes wieder aufgetaucht, und wie durch ein Wunder waren die Kristallhälften der Uhr beim Aufschlag nicht geborsten. Nur die obere hatte einen langen feinen Riss. »Besser, wir machen uns gleich wieder auf den Weg.«
    Sabatea hatte die Ärmel ihres Hemdes bis zur Schulter hochgeschoben. Breite blaurote Flecken an ihren Oberarmen verrieten, wo die Klauen des Sperbers sie gepackt hatten; sie musste noch mehr solcher Spuren am ganzen Körper davongetragen haben. Neben Tariks eigenen Prellungen waren sie die einzigen Beweise dafür, dass das Riesentier tatsächlich existiert hatte.
    Sie deutete mit einem Nicken auf Almarik. »Was ist mit ihm?«
    Der Byzantiner konnte sie nicht hören. Er saß ein gutes Stück entfernt auf seinem ausgerollten Gardeteppich und trank mit langsamen Schlucken aus einem Wasserschlauch. Khalis stand neben ihm und redete leise auf ihn ein. Almarik verriet durch nichts, dass er den Worten des Magiers Beachtung schenkte.
    »Was soll mit ihm sein?«, fragte Tarik.
    »Er hat uns gerade das Leben gerettet.«
    »Ich hab mich höflich dafür bedankt.«
    Sie seufzte. »Ändert das etwas?«
    »Nein.« Das Wort war heraus, bevor er darüber nachdenken konnte. Es schien die richtige Antwort zu sein, ganz gleich, was geschehen war. Früher, in Samarkand, hatte er zu viele Versprechen gebrochen; das gehörte zu dem Teil seines Lebens, den er hinter sich gelassen hatte. Er würde heute nicht wieder damit anfangen, erst recht nicht, wenn es ohnehin keine Antwort auf die Frage gab, was richtig oder falsch war.
    Sabatea nickte langsam. »Gut.«
    »Klingt nicht sehr dankbar.«
    »Er hat das ohne

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