Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
Boden stehen und seine Hand am Türrahmen, auch wenn sie sich jetzt ein wenig fester daran klammert. „Verdammt, Kleiner, wenn du wüsstest“, knurrt er. Und dann ist er durch die Tür und hinaus in die Nacht verschwunden.
Kapitel 15
D AN verschläft den größten Teil des nächsten Morgens, bis Chris anruft, um abzusprechen, wann er Dan für die Totenwache abholen soll. Dan sucht seinen einzigen Anzug aus dem Schrank und hofft, dass er zum Anlass passt. Er ist dunkelgrau, aber sollte er vielleicht lieber schwarz sein? Er ist sich nicht sicher, aber es interessiert ihn nicht allzu sehr. Er war beim Kauf dieses Anzugs mit Justin zusammen, und das reicht ihm völlig. Er investiert möglichst wenig Energie in das Putzen seiner Schuhe und das Auswählen einer Krawatte. Schließlich bindet er eine von Justins um. Die gehören jetzt wohl ihm.
Er geht hinunter, um auf Chris zu warten, und Robyn kommt dazu, um ihm Gesellschaft zu leisten. Sie erklärt ihm, dass sie erst im Stall alles erledigen und sich dann zu Hause umziehen und zum Bestattungsinstitut kommen wird. Es freut ihn, dass jemand Bekanntes kommen wird, aber abgesehen davon wüsste er nicht, was Robyn ihm und Karl und Molly sagen sollte, was sie nicht genauso gut hier am Stall sagen könnte. Das ganze Ritual ist ihm unbegreiflich.
Chris trifft ein, und Dan steigt in den Pick-up und winkt Robyn zu. Sie fahren zum Bestattungsinstitut, ohne viel zu reden, und dann parkt Chris vor dem Gebäude und sie gehen hinein. An der Eingangstür gerät Dan kurz in Panik. Chris bleibt bei ihm, bis er sich gesammelt hat, und begleitet ihn dann ins Gebäude. Sie finden sich im Hauptflur wieder, von dem links und rechts je ein Raum abzweigt. Dan glaubt, im Raum zu seiner Rechten ein paar von Justins entfernten Verwandten wiederzuerkennen, doch dann wandert sein Blick nach links, zu einem von Blumengestecken umgebenen Sarg.
Aus irgendeinem Grund hatte Dan damit nicht gerechnet, und er weiß nicht, ob er damit umgehen kann. Er sieht Chris an „Ist das“ – er nickt in Richtung Sarg – „ist das Justin?“
Chris scheint es schwer zu fallen, die richtige Antwort zu finden. „Es ist sein Körper.“
Dan nickt. Es wäre vielleicht einfacher, so zu tun, als hätten Justin und er eine rein emotionale Beziehung geführt, aber wenn er ganz ehrlich ist, hat er Justins Körper genauso sehr geliebt wie den Rest von ihm. Er liebte die breiten Schultern, die kräftigen Hände, die muskulösen Gliedmaßen, den knackigen Hintern, den allzeit bereiten Schwanz … Dan zieht sich in eine Nische zurück und greift nach seinem Flachmann. Er hatte es ohne Alkohol versuchen wollen, aber das war eine dumme Idee. Er braucht etwas, das ihn ein bisschen betäubt. Er nimmt zwei große Schlucke, und noch bevor der Alkohol in sein Blut übergeht, ist er ein bisschen abgelenkt, ein bisschen ruhiger. Das brennende Gefühl breitet sich von seiner Kehle in seinen Magen aus, dann in seine Arme. Chris sieht ihm ruhig zu.
„Willst du zu ihm gehen?“, fragt er.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, antwortet Dan beinahe flüsternd. „Ich meine, ich weiß nicht, ob ich danach den Rest der Totenwache durchhalten würde.“
Chris nickt kurz. „Scheiß auf die Totenwache. Dan, was brauchst du jetzt? Willst du dich jetzt von ihm verabschieden? Wenn das so ist, ist es nämlich okay. Wir können die Türen auch ewig zulassen, wenn es das ist, was du brauchst.“
Dan wendet sich Chris zu und kann die Leere in seiner eigenen Stimme hören. „Das, was ich brauche, kann ich nicht haben.“
Chris verliert eine Sekunde lang die Fassung und fängt sich dann wieder. Dan sieht es und versucht, genauso stark zu sein. „Ist er nachher immer noch hier? Kann ich erst das mit der Reihe machen und dann später herkommen, bevor sie ihn mitnehmen?“
Chris nickt. „Ja, das kannst du.“ Er holt ebenfalls seinen Flachmann aus der Brusttasche und trinkt einen Schluck. Dan fragt sich, wie irgendjemand so etwas nüchtern übersteht.
„Okay, bringen wir‘s hinter uns“, sagt Dan, und Chris und er betreten den Raum auf der rechten Seite. Karl und Molly sind dort und entschuldigen sich beide bei ihren jeweiligen Gesprächspartnern, als sie Dan sehen. Dan möchte den Raum am liebsten wieder verlassen, doch er geht weiter auf sie zu, wie sie auf ihn zugehen. Molly erreicht ihn zuerst, und ihre Augen sind trocken. Sie schüttelt Dan die Hand, und er konzentriert sich darauf, sie zu hassen, denn er weiß, dass er
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