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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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schicken!«
    »Bernd«, flüsterte sie.
    »Wer, zur Hölle, ist Bernd? Gehört er zu den Geiselnehmern? Verdammt, Sturm, reden Sie!«
    »Er ist ein liebenswerter Mensch, ein Musiker. Violinist. Er hat schon in London mit Elton John zusammengespielt.« Sie schluckte. »Ich liebe ihn.«
    Der angebliche Bernd verschwand aus der geöffneten Tür ins Innere des Flugzeugs.
    Riedel musterte sie, während sie wie in Trance auf die Leinwand starrte. Zugegeben, die Frau sah nicht wie eine Verrückte aus, aber allmählich glaubte auch er, dass sie den Verstand verloren hatte. Dieses zusammenhanglose Gerede von einem Easy Rider und einem Violinisten, den sie liebte und der mit Elton John in London musiziert hatte, ergab jedenfalls keinen Sinn.
    Offenbar kam sie just in diesem Moment ebenfalls zu dem Schluss, dass man sie für komplett durchgedreht halten musste, denn ihr Blick klarte schlagartig auf.
    »Hören Sie«, appellierte sie im Tonfall liebenswürdiger Vernunft, »ich weiß, dass ich mich bis jetzt wenig hilfreich verhalten habe. Das tut mir leid, aber ich wurde von den Ereignissen schlichtweg überrollt. In letzter Zeit ist einiges passiert in meinem Leben. Dennoch kann ich Ihnen alles erklären.«
    Sie lächelte verlegen, und das sah so ehrlich aus, so vernünftig, dass Riedel nicht anders konnte, als ihr zu glauben. Er erwiderte das Lächeln, nickte ihr aufmunternd zu.
    Sie tat einen tiefen Atemzug. »Also, da ich suspendiert wurde, habe ich versucht, mich anderweitig zu beschäftigen, und zwar als freie Journalistin für den Kurier . Dadurch ergab es sich, dass ich nach Südafrika …«
    Die versprochene Erklärung endete, ehe sie richtig begonnen hatte. Ihr Blick schweifte abermals ab, in ein anderes Universum. Erneut starrte sie mit offenem Mund auf die Leinwand.
    »Das ist er!«, rief sie so laut, dass sich alle nach ihr umdrehten.
    Der Schwarzafrikaner, der vorhin mit der Maschinenpistole geschossen hatte, war an die Stelle des mysteriösen Musikers getreten. Er glotzte in die Tiefe, wo der ebenso mysteriöse Easy Rider lag.
    »Das ist er, das ist der Verbrecher! Ich habe ihn in seinem Unterschlupf getroffen, und er hat mir die Haare abgeschnitten, mit einer Machete. Und dann hat er mich gezwungen, vor ihm niederzuknien und mich …« Sie zögerte, ihre Stimme zitterte. »Er hat mich … angepinkelt.«
    Riedel und der Polizeipräsident nickten einander zu.
    »Danke, Frau Sturm«, sagte Riedel. »Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, herzukommen. Allerdings fürchte ich, dass Sie uns nicht helfen können. Ich schlage vor, dass Sie uns jetzt wieder verlassen. Sie sagten, es sei viel passiert in Ihrem Leben? Das glaube ich gern. Deshalb sollten Sie versuchen, sich zu entspannen. Gehen Sie nach Hause und legen Sie sich …«
    »Sie glauben mir nicht?«, fiel sie ihm ins Wort. In ihren Augen flackerte Verzweiflung.
    Herr Dr. Bohne lächelte. Im gleichen Maße, in dem sie die Fassung verlor, kehrte seine gewohnte Souveränität zurück. »Beruhigen Sie sich, Sturm, beruhigen Sie sich. Riedel hat recht, Sie sollten nach Hause gehen und sich ausruhen.«
    Er ergriff ihren Arm, um sie mit sanfter Gewalt in Richtung Tür zu bugsieren, doch sie schlug die Hand weg. »Fassen Sie mich nicht an!«
    »Jetzt reicht’s!«, blaffte der PP . »Offenbar wollen Sie uns auch weiterhin dazwischenfunken und damit unsere Arbeit behindern! Also lasse ich Sie einsperren, und zwar so lange, bis diese unselige Flugzeugentführung beendet ist!«
    Das war eine legitime Maßnahme des Polizeirechts, keine Verhaftung, sondern eine sogenannte Ingewahrsamnahme, die für den Eingesperrten ohne Konsequenzen blieb, abgesehen davon, dass er für maximal vierundzwanzig Stunden aus dem Verkehr gezogen war. Den Klassiker unter den Ingewahrsamnahmen stellte die Ausnüchterung dar, bei der ein alkoholisierter Randalierer so lange eingesperrt wurde, bis er wieder klar im Kopf war.
    Riedel sah der Frau an, dass für sie eine Welt zusammenbrach. Obwohl sie suspendiert war, verstand sie sich offensichtlich immer noch als Polizistin. Umso unbegreiflicher kam es ihr vor, dass man sie behandelte wie einen x-beliebigen Rabauken, der zu tief ins Glas geschaut hatte. Ihr Gesicht, das maßlose Enttäuschung widerspiegelte, weckte augenblicklich Mitleid in ihm, obwohl er natürlich wusste, dass die Entscheidung des Polizeipräsidenten richtig war.
    Er bat die Bundespolizisten herein, die im Vorraum gewartet hatten. Oberkommissarin Sturm ließ sich

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